Let's Eat Grandma: I'm All Ears (Transgressive)
Let’s Eat Grandma (LEG) sind kaum noch als das Duo zu erkennen, dass 2016 das Debütalbum I, Gemini veröffentlichte. Dieses gespenstische Album mischte dahintreibende Synthesizer mit Blockflötensoli, Saxophon und enervierendem Geplapper und zeugte von einer verspielten Abgeschiedenheit von allen Trends und Genres, die starke Reaktionen provozierte. Veilelicht wiel sie dieses Potenzial, den Hörern unter die Haut zu gehen, nutzen wollten, setzen Jenny Hollingworth und Rosa Walton, beide erst 19, auf Album Nummer zwei auf eine streitlustigere Herangehensweise: mutige Synthesizer, geschärft auf einer Drehbank aus Diamant; Ausschau haltend nach alle, die Mädchen im Teenageralter unterschätzen könnten. Die beiden Musikerinnen sind wild entschlossen, das Leben intensivst auszukosten.
Diese Qualitäten werden auf „Hot Pink“, produziert von Sophie und The Horrors’ Faris Badwan, blendend kombiniert. Obwohl der Song viele der für Sophie typischen Elemente enthält – harsche Synthesizer, die Vorstellungen von Plastik und Rost heraufbeschwören, Bass, der wie ein Blimp mit viel zu wenig Luft klingt – schaffen es LEG mit ihrer Unberechenbarkeit, den antiseptischen Sound eine menschliche Note zu verleihen. LEG hören sich noch immer görenhaft an und winden sich von schmollender Verärgerung zu begeisterter Phantasie, während sie in den intuitivsten vier Minuten Pop des des bisherigen Jahres Rosa/Pink und Macht für sich beanspruchen.
I’m All Ears (ansonsten produziert von David Wrench) übersetzt LEGs Eigenwilligkeit in richtigen Pop: inmitten von Zwischenspielen von schnurrenden Katzen und trällernden Klingeltönen sind ihre Songs Mini-Odysseen, in denen sich Rave-Euphorie mit mit bedrohlicher Stimmung vermischt. Mit seinem regelrecht rammenden Refrain ist „Falling Into Me“ ebenso galvanisierend wie sein entschlossener Text. Sie können aber auch sanft sein: „It’s Not Just Me“, der andere Sophie-und-Badwan-Track, ist verträumt und verstörend, während der Regen auf „Ava“ diese Klavierballade noch herzzerreißender macht.
LEGs Texte sind weit vom Märchen-Nonsens ihres Debüts entfernt und nun unheimlich und durchdringen, was durch ihr gesangliches Melodrama noch verstärkt wird. „Cool and Collected“ destilliert perfekt die Verzweiflung sozialer Unbeholfenheit: “I still blur in the haze that you cut straight through.” Verpasste Verbindungen - verpasste Anrufe, körperlose Namen auf Displays – ziehen sich wie ein roter Faden durch das Album, doch bei I’m All Ears dreht sich alles darum, die Angst zu überwinden und mutig auf die Erfüllung der eigenen Wünsche hinzuarbeiten. Ein bemerkenswertes Werk.
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