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Helena Hauff: Qualm (Albumkritik)

 

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Helena Hauff: Qualm (Ninja Tune)

 

 

Helena Hauff hat in den letzten fünf Jahren einen beachtlichen Aufstieg hingelegt, von der ortsansässigen DJane im stickigen Hamburger Szeneclub Golden Pudel hin zu einer der gefeiertsten Künstlerinnen, die aktuell in den Techno Clubs und auf Festivals unterwegs sind. Dies gelang ihr mit einer beeindruckenden Mischung von Acid House, Techno, EDM und Industrial-Einflüssen, die nicht zuletzt dadurch eine eigene Note erhält, dass sie die Tracks fast ausschließlich mit analogem Equipment aufnimmt, was eine gewisse Selbstbeschränkung erfordert. Im Unterschied zu vielen Kollegen kam sie nicht durchs Sammeln von Platten und ständige Jagd nach tollen Scheiben auf den Geschmack – sie war schon über 20, als sie anfing, sich als DJ zu betätigen, nachdem sie 2009 Talk Talks Album Spirit of Eden (falls Sie es noch nicht haben, sollten Sie es schleunigst zu Ihrer Sammlung hinzufügen) erworben hatte. Da sie zu Hause keinen Zugang zu einem Computer oder physischen Musik-Medien hatte, pilgerte Hauff in die lokale Bücherei, um sich CDs anzuhören und so Stücke und Künstler zu entdecken, die sie nicht im Radio zu hören bekam. Wenn ihr etwas gefiel, nahm sie es auf Tonbandkassetten auf. Diese „Mixtapes“, auf denen Stücke ohne Kontext aufeinanderfolgten, erlaubten ihr, Verbindungen zwischen Stockhausen und The Cure, belgischen Cold-Wave-Bands und britischem Synthpop herzustellen und ihr Gehör so zu schulen, dass sie Melodien entdeckte, die sich inmitten von statischem Rauschen und hektischen Rhythmen verbargen. Was für andere nur Chaos und Lärm war, wurde für sie zu reizvoller Musik.

 

 

Nachdem der britische Elektronikmusiker und Produzent Actress 2013 Hauffs Debüt-EP Actio Reactio auf seinem Label Werkdiscs veröffentlicht hatte, wurde ihre Musik um einiges Lauter, roher, schneidender – und besser. Der vorläufige Höhepunkt ist ihr nun erschienenes zweites Album, Qualm. Auf den ersten Blick ist es eine denkbar unkomplizierte Angelegenheit: klaustrophobischer Acid Techno. Doch ihr Talent, aus dieser Kakophonie harmonische Elemente zu extrahieren, ist beeindruckend. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Hauff ihre Musik sehr ernst nimmt, sich selbst aber nicht – Tracktitel wie „The Smell of Suds and Steel“ und „Primordial Sludge“ deuten auf einen ätzenden Humor hin. Außerdem ist offensichtlich, dass sie ständig ihre liebe zur Vergangenheit zum Ausdruck bringt. Es ist deutlich hörbar, dass sie zum Beispiel die Musik des legendären Duos Drexciya aus Detroit liebt: dessen von europäischem Synthpop und Jazz inspirierte Herangehensweise an live geschaffene, stark rhythmische elektronische Klänge klingt in „Hyper-Intelligent Genetically Enriched Cyborg“, dem absoluten Highlight von Qualm, immer wieder durch; auf diesem Track ist eine TB-303-Basslinie das Fundament für eine erhebende Synthesizer-Melodie, die wie ein einzelner Sonnenstrahl wirkt, der durch finstere Gewitterwolken fällt. Stellenweise erinnert diese Nummer auch an John Carpenters Filmmusiken. Wären alle Stücke auf dem Album so gut wie dieses, wäre Qualm ein Werk für die Ewigkeit – so ist es „nur“ sehr gut geworden.

 

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