Lisa O'Neill: Heard a Long Gone Song (River Lea/Rough Trade)
Indie-Labels haben traditioneller Musik im 21. Jahrhundert neues Leben eingehaucht. Während bei Rough Trade unter Vertrag stehende Bands wie The Strokes und The Libertines für Schlagzeilen in den Musikmedien sorgten, veröffentlichte die Plattenfirma auch Alben von Alasdair Roberts und The Decemberists. In den letzten Jahren nahm das Unternehmen auch Folkmusiker wie Josienne Clarke & Ben Walker und die irische Band Lankum derne rauere, politisch aufgeladene Songs mit ihrer Trostlosigkeit gut in unsere Zeit passen, unter Vertrag. Nun macht auch ihre ähnlich herbe Landsfrau Lisa O’Neill auf sich aufmerksam, die als erste für Rough Trades Folk-Tochterlabel River Lea aufnahm.
Sie war einst sanfter, weicher (hören Sie sich ihr 2009 von ihr selbst veröffentlichtes Debüt Has An Album an), doch O’Neills Gesang kehrte zunehmend zu ihren Wurzeln im County Cavan zurück. Hier ist ihr Gesang roh und hart und erinnert ein wenig an jene alten Frauen, die vor rund 90 Jahren von Harry Smith aufgenommen wurden. Dieser Stil mag manche abschrecken, auf andere affektiert wirken, aber wenn sie diese Songs – eine außergewöhnliche Sammlung von düsteren, harschen Originalen und zu Herzen gehenden Traditionals - auf diese Weise vorträgt, berührt sie die Hörer im Innersten.
Die Ballade „The Galway Shawl“, die das Album eröffnet, ist der optimistischste Moment des gesamten Werks: ein Mann verliebt sich in eine junge Frau, die von einem Song zu Tränen gerührt wird, ehe er sie verlassen muss. Darauf folgen die tiefe Traurigkeit von „Blackbird“, das trostlose Flehen um Gnade in „Lass of Aughrim“ und das unglaublich erschütternd „A Year Shy of Three“. Aber auch Aufbegehren macht sich bemerkbar. Das von O’Neill geschriebene „Violet Gibson“ erzählt die Geschichte der Irin, die 1926 versuchte, Mussolini zu töten, während die Traveller-Ballade „The Factory Girl“ von einer Frau aus der Arbeiterklasse handelt, die stolz die Avancen eines reichen Mannes ignoriert. „Rock the Machine“, eine weitere O’Neill-Komposition, ist am wuchtigsten und beklagt den Verlust, den Dublins Dockarbeiter fühlten, als ihre Arbeit immer mehr mechanisiert wurde. “I’m losing will, love”, beginnt dieser Song, “my hands are soft as cotton gloves … Machine with the strength of a hundred men / Can’t feed and clothe my children.” Dies ist kompromissloses, atemberaubendes, die Seele erschütterndes Material.
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