Eric Clapton: Happy Xmas (Brushbranch/Surfdog)
Im Zentrum dieser Sammlung von Weihnachtsliedern, die ebenso lieblos ist, wie das Cover erahnen lässt, steht eine sechsminütige Version von „Jingle Bells“: “In Memory of Avicii.” Der Selbstmord des schwedischen DJ scheint Clapton tief getroffen zu haben, und die Idee dieser Hommage, eine Hadn vom Blues zu EDM auszustrecken, ist rührend. Der Song selbst allerdings weniger. Jingles (Geklingel) und Bells (Glocken) sind selten: das einzig Festliche an der matten Länge dieses Track ist, dass er sehr präzise Erinnerungen an einen 12-jährigen Knaben heraufbeschwört, der am Weihnachtsmorgen sein erstes Casio-Keyboard auspackt und alle Voreinstellungen ausprobiert. Balearische Euphorie! Tropical House Shuffle! Eindringlicher Gesangsrefrain! Das Ganze ist völlig rätselhaft und das enttäuschende Ende eines Albums, auf dem die Standards auf dieselbe tödlich langweilige Weise dargeboten werden.
Weihnachtsalben sind ein bizarres Konzept: es werden jedes Jahr neue veröffentlicht, weil viele Menschen es lieben, wenn Stimmen, die sie mögen, Songs singen, die ihnen vertraut sind. Doch Clapton ist auf diesen Geistern von Weihnachtsliedern vergangener Zeiten kaum wiederzuerkennen. Seine stark eingeschränkte Stimme würgt „Away in a Manger“ wie zwischen Schluchzern heraus. Auf einer Album, auf dem arger Mangel an weihnachtlichen Ausschmückungen herrscht, vergräbt er gelegentlich Schlittenglocken tief im Mix. Die Cyborg-Glätte von „Silent Night“ ist geradezu abschreckend unheimlich. Wenigstens ist „Christmas Tears“ passend benannt, denn genau solche Tränen ruft die Kombination aus dem lüsternen Stolzieren des 12-taktigen Blues und Yankee-Candle-Falschheit hervor. „For Love on Christmas Day“, die einzige Originalkomposition, ist trübselig. “I look up and I wonder, have I lost my guiding star?” singt Clapton. Diese Frage beantwortet sich selbst.
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