Neue Ideen sind nicht immer gute Ideen
Assassin’s Creed: Brotherhood aus dem Vorjahr entwickelte die Formel von Assassin’s Creed II auf beeindruckende Weise weiter, doch in punkto Story war ein Nachlassen der Qualität zu bemerken. Beim Erscheinen wirkte es eindeutig wie ein mittleres Kapitel; eines, das den Weg bereitet für einen weiteren, voll entwickelten Teil der Serie, der endlich genau erklären würde, was verdammt noch mal am Ende von ACII passierte und wwas das für das Franchise bedeutet.
Der Titel von Assassin’s Creed: Revelations mag Enthüllungen versprechen, aber leider bringt das Spiel die Reihe nicht wirklich auf bedeutungsvolle Weise weiter. Stattdessen wirkt es wie eine Ehrenrunde: ein weiterer Auftritt für diese Helden, ehe sie das Feld räumen und neue Gefilde erforscht werden. Dagegen ist theoretisch nichts einzuwenden – und die erstklassige Gameplay-Mechanik ist wieder mit voller Kraft zurück -, aber Ezios letzter Einsatz lässt Aufregung und Intrigen vermissen – dem heldenhaften Meuchelmörder wird nicht gerade ein strahlender Abgang bereitet.
Der Kern der Assassin’s Creed-Erfahrung bleibt intakt. Obwohl Ezios Mission ihn nach Konstantinopel führt – ein viel lebhafterer und bunterer Schauplatz als in den vorangegangenen Spielen -, fühlt man sich in dieser offenen Welt vom ersten Moment an heimisch. Revelations baut auf dem verbesserten Gameplay von Brotherhood auf und ergänzt es um einige coole Features, darunter die Hakenklinge (Hookblade), die es Ezio ermöglicht, schneller auf Gebäude zu klettern, größere Abgründe zu überwinden, indem er sich von hängenden Pflanzgefäßen schwingt, und sich mit Hilfe von Seilrutschen rasch fortzubewegen.
Das Zusammenbauen und Benützen von Bomben erweitert das Spiel um ein weiteres taktisches Element, aber nicht jede Neuerung ist willkommen; ein lasches Tower-Defense-Minispiel wirkt wie reine Zeitverschwendung. Dennoch ist das Endresultat positiv, denn selbst ohne die Änderungen bietet der offene Spielplatz einer Assassin’s Creed-Welt reichlich Unterhaltung, ganz egal ob man nun Gegenstände sammelt, Aufträge erfüllt oder einfach nur die Weite und Schönheiten der Umgebung genießt. Und obwohl ich es vermisse, auf einem rassigen Pferd über Feldwege zu reiten, enttäuscht Konstantinopel als neuester Schauplatz keineswegs.
Aber als drittes Spiel in ebenso vielen Jahren lässt Revelations deutlich werden, dass das bekannte Open-World-Gameplay ohne spannende Handlung, die das Interessse des Spielers auf Dauer wachzuhalten vermag, nicht sonderlich wirkungsvoll ist – und dies ist die langweiligste Story bisher. Ezio ist trotz seines fortgeschrittenen Alters so gewandt wie eh und je, aber die Handlung müht sich durch langweilige politische Machenschaften vorwärts, die zu diesem Zeitpunkt in des Meuchelmörders Leben und Story einfach nur dumm wirken. Und selbst wenn er eine persönliche Beziehung mit jemandem anknüpft – eine erfrischende Abwechslung für einen gewalttätigen Krieger -, hat man das Gefühl, eine Kurzzusammenfassung zu erhalten, bei der die Charakterentwicklung fehlt.
Man muss schon einige Stunden bei der Stange bleiben, bis das Spiel aufregende Momente bietet, aber selbst dann sind diese überraschend selten. Die vorgeschriebenen Platform-Segmente, die mit dem Sammeln der Masyaf Keys (Aufzeichnungen eines einheimischen Assassinen) zusammenhängen, sind ein Vergnügen, ebenso die Mission auf den Docks, die schon auf der E3 gezeigt wurde, aber einige begeisternde Abschnitte ergeben noch lange keine erfüllende Kampagne. Zum Glück sind die Altaïr-Rückblick-Missionen trotz (oder vielleicht wegen) ihrer Kürze um einiges interessanter als Ezios eigene Abenteuer und die optionalen Desmond’s-Journey-Puzzle-Abschnitte – die aus ähnlichem Holz geschnitzt zu sein scheinen wie Portal, obwohl die Spielmechanik eine andere ist - sind erfrischend gut geschrieben und lassen uns den in der Gegenwart lebenden Nachfahren besser kennenlernen.
Die Kampagne wird zum Glück im dritten Akt um einiges besser, denn da werden die Geschichten von Ezio und Altaïr weiter miteinander verwoben, ehe sie zu Ende gebracht werden, aber peinlicherweise beschert uns das Finale nicht den konkreten Abschluss, den man erwarten durfte. Statt dessen wird enthüllt, was die Serie als nächstes für uns bereithält, was gut und schön ist – und um einiges interessanter als die etwas mehr als zwölf Stunden, die dieser Vision vorangehen -, aber das Ganze ist eine schale Belohnung. Revelations ist nur ein weiteres mittleres Kapitel; eine Brücke hin zum nächsten Spiel, die man nicht überspringen kann, wenn man nicht an weiteren in der Luft baumelnden Handlungssträngen interessiert ist.
Merkwürdigerweise ist Revelations auch der am wenigsten sorgfältig ausgearbeitetste Teil der mit Assassin’s Creed II begonnenen Trilogie. Es sind ungewöhnlich viele visuelle Bugs zu bemerken – etwa ein NPC, der während einer filmischen Zwischensequenz in die falsche Richtung blickt oder drei Passanten, die auf eine der Schwerkraft trotzende Weise in der Gegend herumstehen. Ich musste auch eine ganze Mission neu starten, da sich eine Zielvorgabe einfach nicht aktivieren wollte, und mitansehen, wie eine andere „einfror“, als ein Feind und ein Verbündeter sekundenlang nebeneinander standen. Open-World-Spiele haben immer mit seltsamen Glitches zu kämpfen, aber sie sind hier deutlicher zu bemerken als in den Vorgängern.
Die Einzelspielerkampagne mag zwar die Erwartungen nicht ganz erfüllen, aber der Multiplayer-Teil glänzt mit intelligenten Überarbeitungen und Neuheiten, die das Anhängsel des letzten Spiels in eine eigenständige Gameplay-Erfhrung verwandeln, die durchaus auch für sich allein bestehen könnte. Der neue Deathmatch-Modus entfernt den Radar und die Abbilder der Spieler von der Karte und bietet intimere Stealth-Gefechte in beengteren Räumen, während der teambasierte Artifact Assault ein lärmender Kampf ist, bei dem es darum geht, das Objekt des anderen Teams zu stehlen und das eigene zu beschützen. Es handelt sich um etablierte Multiplayer-Spielmodi, aber da sie durch die einzigartige strategische Linse von Assassin’s Creed gefiltert werden, wirken sie irgendwie neuartig und bieten, wie auch der Rest des Multiplayers, eine intensiven und befriedigenden Spielspaß.
So sehr mir auch der ausgeweitete Multiplayer gefiel, ich kann nicht darüber hinwegsehen, dass die Einzelspielerkampagne von Revelations zu beliebig ist, um mit den Vorgängern mithalten zu können. Die aufregenden Momente kommen spät und sind zu selten und die besten Sequenzen drehen sich gar nicht um Ezio, dessen letztes Abenteuer nicht an die Qualität der ersten beiden herankommt. Dies ist nach wie vor das Assassin’s Creed, das wir im Laufe der Jahre liebgewonnen haben und es ist ein ziemlich guter Zeitvertreib – außerdem ist es eine notwendige Brücke hin zu dem für nächstes Jahr angekündigten Nachfolger. Aber Verpflichtung sollte nicht der Hauptgrund sein, etwas zu spielen, aber leider ist das bei dieser langweiligen Kampagne zu oft der Fall.
PRO: Konstantinopel ist ein weiterer unterhaltsamer historischer Open-World-Schauplatz; die Altaïr- und Desmond-Missionen sind wirklich gelungen; der Multiplayer-Teil ist ein strategisches Vergnügen und größer und besser als je zuvor.
CONTRA: Die Kampagne braucht ewig lange, um richtig in Gang zu kommen und löst ihr Versprechen nie ein; Ezios Story geht nicht gerade mit Pauken und Trompeten zu Ende; bugs und visuelle Glitches deutlicher zu bemerken denn je.
Abschließende Bewertung
Spiel: 7,0
Spaßfaktor: 5,0 (Einzelspieler)/7,5 (Multiplayer)
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