Frozenbytes magischer Puzzler Trine 2 tauchte vor einigen Tagen im Internet auf, was den Verdacht aufkommen lässt, dass zumindest ein Publisher nicht mitbekommen hat, dass nach der letzten Novemberwoche keine Spiele mehr veröffentlicht werden dürfen. Ich bin froh, dass sich jemand über die Regeln der Branche hinweggesetzt hat, und habe eine Weile in dieser Welt von Farbe und Physik zugebracht. Hier sind meine Gedanken zum Spiel. Außerdem: Gruppenumarmung.
Ich fühle mich großartig. Die Fähigkeit von Trine 2, sofortige Gelassenheit zu bewirken, wurde schon auf vielen Sites immer wieder hervorgehoben, aber ich möchte hier ausnahmsweise einmal nicht seine wunderschönen Farben, die traumhafte Musik und die generelle Atmosphäre von Wohlwollen sprechen. Ich spreche von seinen Puzzles.
Sie sind genial und erreichen so viel mit einigen wenigen Konzepten: vor allem Physik, Wasser, Luft und Feuer. Bei fast jedem durchlaufe ich dieselbe Spirale von Emotion, Vermutung und Überraschung.
1) Oh, das sieht fast wie im letzten Raum aus, weshalb ich da schnell durchkomme, indem ich einfach nach rechts springe.
2) Okay, das hat nicht funktioniert.
3) Zeit, mit dem Herbeirufen von Kisten und Brettern zu beginnen, um Stufen und Plattformen zu schaffen. Falls das nicht hilft, muss ich wohl versuchen Haken in die Decke zu schießen.
4) Nnng.
5) Es gibt keine wie auch immer geartete Möglichkeit, da hinüberzukommen. Ich gebe gleich auf.
6) Moment, was wenn…Oh-ho-ho. Oh, das ist clever. Das ist so erstaunlich clever. Das Spiel ist fantastisch.
Es gibt immer irgendein zusätzliches Objekt, das man bewegen kann, irgendein Element, das durch ein Portal gefeuert werden kann, um am anderen Ende einen Effekt zu aktivieren, oder irgendetwas, mit dem man auf ein herbeigerufenes Objekt einschlagen kann, etc… Das Spiel erinnert irgendwie ein wenig an das erste Portal, dasjenige der beiden Portal-Spiele, das mehr Eureka!-Momente bietet, die einem das Gefühl geben, die Lösung selbst erarbeitet zu haben, anstatt einfach mit der Nasenspitze draufgestoßen zu werden. Die Lösungen der Rätsel haben etwas Elegantes an sich – Trine 2 ist ein Spiel, das es nicht eilig hat, weshalb sich die Teile eines Levels langsam, aber stetig in die richtige Lage bewegen und sich nach und nach ein neuer Pfad vor den Augen des Spielers eröffnet. Die ganze Szene verformt sich von einer Frage in eine Antwort, aber immer auf eine Art, die perfekten Sinn macht, ohne deshalb etwas von ihrer Magie einzubüßen. Dabei sind die lieblichen Farben und das tolle Licht wirklich hilfreich. Selbst wenn man mit einem Schwert auf Goblins einschlägt, bleibt das Spiel sehr fröhlich.
Was? Nein! Ich werde keine der Puzzles für Sie aufgliedern und Ihnen die Lösung verraten. Das würde dem Spiel den ganzen (oder zumindest einen großen Teil) des Reizes nehmen. Aber ich kann ein wenig über die wichtigsten Konzepte berichten. Sie steuern dieselben drei Charaktere wie in Trine, was aber nicht bedeutet, dass Sie das erste Spiel gespielt haben müssen, um das zweite verstehen und genießen zu können. Da sind drei Typen, die einst etwas taten und nun etwas anderes tun, verstehen Sie? Der eine ist ein Krieger, der Monster töten und gewisse Hindernisse zerstören kann. Die zweite ist eine Schurkin, die mit Pfeilen schießen und auf Holzoberflächen einen Enterhaken einsetzen kann. Der dritte ist ein Zauberer, der bestimmte Objekte schweben lassen und Bretter und Kisten herbeizaubern kann. Gemeinsam… nun ja, gemeinsam bewegen sie sich langsam auf den rechten Bildschirmrand zu und versuchen dabei, leuchtende Dinger einzusammeln, damit sie aufleveln und ihre Fähigkeiten verbessern können.
Wenn ich an etwas Kritik üben müsste, wäre es eine sehr leise Kritik, die sich darauf bezöge, dass die drei Charaktere nicht ganz gleichwertig behandelt werden – allerdings ist der Unterschied nicht groß. Vor allem der Krieger kommt nur zum Einsatz, um in oberflächlichen Sequenzen, die das Spiel nicht braucht, Goblins zu vermöbeln und den einen oder anderen Boss zu bekämpfen. Das soll wohl den angeblichen Actionhunger eines Teiles des Zielpublikums befriedigen. Allerdings ist sein Schild unerlässlich, um an schießenden Pflanzen und Feuerstrahlen unbeschadet vorbeizukommen, weshalb er ein unerlässlicher Bestandteil des Teams ist. Die Pfeile der Schurkin sind außerhalb der Kämpfe kaum zu gebrauchen, aber ihr Seilschwingen ist das wichtigste Fortbewegungstool des Spiels.
Der Zauberer wird unweigerlich zum am häufigsten eingesetzten Charakter, da seine Fähigkeit, Kisten und Bretter herbeizuzaubern, neue Wege schaffen und mitunter sogar spontan alternative Lösungen auftun kann. So kann er zum Beispiel eine wackelige Brücke schaffen, indem er ein Brett über einer Kluft platziert und dann eine Kiste auf einem Ende balanciert, um zu verhindern, dass es abstürzt. Das funktioniert zwar meistens nicht, aber mir macht diese Freiheit, nach Lust und Laune experimentieren zu können, großen Spaß. Außerdem ereignen sich dabei immer wieder seltsame Dinge.
Dann sind da die Puzzles, die von den Charakteren unabhängig sind, etwa das Verschieben von Portalen mit Hilfe von Hebeln – das dient manchmal dazu, einen Weg für sich selbst zu bahnen, aber viel öfter dazu, etwas, das sich an Punkt A befindet, am sonst nicht zugänglichen Punkt B auftauchen zu lassen. Denken Sie an die Farbpuzzles von Portal 2, nur eben hier mit den Elementen und Kesseln und magischen Pflanzen. Die Abwechslung, die so aus Charakteren und Systemen – die im Lauf der Spiele nach und nach mehr werden - herausgeholt wird, ist wahrlich Grund zur Freude. Das Ganze hätte leicht zu formalen Puzzles für Leute, die unbedingt alles lösen müssen, verkommen können, aber genau wie World of Goo gelingt es dam Spiel, immer neue Variationen seiner Grundthemen zu finden. Außerdem findet Trine 2 immer genau den Mittelweg zwischen leicht und schwierig: die Lösungen sind selten offensichtlich, eröffnen sich dem Spieler aber, ehe sich Frustration breitmachen kann.
Nachdem dies gesagt ist, möchte ich darauf hinweisen, dass das Spiel über eine Art zweite Schwierigkeitsstufe verfügt – wenn Sie nämlich alle leuchtenden Upgrade-Kugeln in einem jeden Level einsammeln möchten, müssen Sie viel intensiver nachdenken und sehr viel mehr Geduld aufbringen, da Sie in diesem Fall das Spiel wirklich meistern und nicht einfach nur bewältigen müssen. Da ich ein eher ungeduldiger Zeitgenosse bin, hatte ich am Ende der Levels zwischen 60 und 70% der leuchtenden Kugeln in Händen, weshalb sich meine Fähigkeitenupgrades nicht gerade schnell einstellten. Aber das war auch nicht nötig: die verbesserten Kräfte, etwa die Fähigkeit, mehr Kisten herbeizurufen, Frostpfeile abzuschießen oder mit einem riesigen Hammer um sich zu schlagen, sind nicht notwendig, um die Puzzles lösen zu können, sondern eröffnen nur weitere Möglichkeiten, dies zu tun. Ich möchte nochmals erwähnen, dass ich vor allem den Zauberer benützte, da er so wunderbare Treppen bauen kann.
Kurz gesagt: Trine 2 ist (zusammen mit Space Chem) das beste Puzzlespiel, das ich in diesem Jahr gespielt habe, und bietet einige der schönsten Szenen, die in den vergangenen Monaten über meinen Monitor flimmerten. Im Gegensatz zu dem visuellen Charme ist das Skript sehr schwach, weshalb Trine 2 in dieser Beziehung nicht gegen Portal 2 ankommt, aber in punkto Flexibilität, Abwechslung und Einfallsreichtum schlägt es Valves Titel eindeutig nach Punkten.
PRO: Tolle Grafik, tolles Design; die Puzzles sind weder zu leicht noch zu schwierig; viele Lösungsmöglichkeiten; abwechslungsreich; Preis.
CONTRA: Schwaches Skript; die Balance zwischen den Charakteren stimmt nicht ganz.
Abschließende Bewertung
Spiel: 9,25
Spaßfaktor: 9,25
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