Dieser im dystopischen Warhammer-Universum angesiedelte Hack’n’Slash-Third-Person-Shooter ist ein recht gelungener, actionlastiger Genremix
Hallo! Ich habe die ganze letzte Nacht damit zugebracht, mich durch Relics Orks verdreschendes Science-Fiction-Actionspiel Warhammer 40,000: Space Marine zu kämpfen, und bin nun bereit meine Gedanken vor Ihnen auszubreiten.
An Space Marine wurde vier Jahre lang herumentwickelt. Mitunter ist es recht schwierig, Vermutungen anzustellen, wofür diese lange Entwicklungszeit benötigt wurde, zumindest wenn man die Einzelspielerkampagne betrachtet. Mir gefällt das Spiel - bisweilen gefällt es mir sogar sehr gut. In anderen Momenten musste ich gähnen, wenn es galt, mich durch eine weitere, nahezu identische, sehr beschränkte Umgebung zu kämpfen und große Mengen nahezu identisch aussehender Orks niederzumachen, die völlig sinnlos alle fünf Sekunden „Space Marine!“ riefen. Meine Reaktion? Ich rief „Chaos Space Marines! Nicht schon wieder Orks! Bitte! Ich weiß, dass sie hier irgendwo sind! Los, bitte!“
Space Marine präsentiert die meisten seiner Ideen und Features vorneweg, bringt einen dazu, diese zu mögen, und wiederholt sie dann stundenlang. Diese Ideen und Features sind: abwechselnd auf Unmengen von Orks schießen und einprügeln. Das Ganze sieht spektakulär aus und es besteht kein Zweifel, dass dies Warhammer 40,000s düsteres und blutiges Universum in seiner visuell ansprechendsten digitalen Inkarnation bisher ist. Die feinen Details und der fast bemalt wirkende Look der Rüstungen der Charaktere lassen Space Marine fast schon wie eine lebendig gewordene Version der Tischspiele von Games Workshop erscheinen.
Das Spiel ist nicht gerade arm an Hommagen an das Ausgangsmaterial, doch leider wird daraus eine 08/15-Story mit einer denkbar einfachen Wendung, die jeder, der sich nur ein wenig mit Warhammer 40,000 auskennt, schon aus einem Lichtjahr Entfernung problemlos erkennt. Falls Sie sich die Mühe machen wollen, die verstreuten Audiologs einzusammeln, was keine sonderlich aufregende Aufgabe ist und sich darauf reduziert, alle Winkel abzusuchen, werden Sie mit mehr Details zur Hintergrundgeschichte belohnt, wodurch das Knurren der wichtigsten Charaktere in den richtigen Kontext gerückt wird. Leider gilt das nicht für den eine Fortsetzung herbeibeschwörenden Cliffhanger, mit dem das Ganze endet.
Doch zurück zum wahren Problem – obwohl das Spiel nicht übermäßig lang ist (ich spielte es in etwa zehn Stunden durch, während wirklich gute Spieler behaupten, sogar in nur acht Stunden fertig geworden zu sein), besteht die Hälfte im Grunde aus Wiederholung. Man scheint die verschiedenen Mechaniken entwickelt und dann einfach formelhaften Inhalt drum herum drapiert zu haben. Gegen Ende des Spiels tauchen dann die Chaos auf, was die Grausamkeit und den Einsatz beträchtlich erhöht, obwohl man auch da nichts tut, was man nicht schon vorher getan hat. Das Ganze erinnert an eine lange Autoreise, die zu Beginn sehr aufregend und voller Möglichkeiten ist, doch dann fährt man drei oder vier stunden mit ziemlich gleichbleibendem Tempo auf einer Autobahn dahin, bewegt kaum einen Muskel und muss sich sehr konzentrieren, um nicht in den Halbschlaf abzudriften. Plötzlich kommt jedoch die ersehnte Ausfahrt! Und eine schöne Landstraße! Da macht das Ganze wieder Spaß.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass ich nicht so recht nachvollziehen kann, warum die Entwicklung von Space Marine so lange dauerte – ich spekuliere einmal, dass vielleicht sehr viele tolle Dinge auf dem Zeichenbrett ersonnen wurden, dann aber aus praktischen Überlegungen nicht in das Spiel Eingang fanden oder finden konnten. Space Marine ist nämlich unter der sehr blutigen Oberfläche und den vielfältigen Kill-Sequenzen eine sehr einfach gehaltene Angelegenheit, ja fast schon ein Arcade-Titel. Man schießt alles tot oder schlägt/sägt/hämmert alles tot oder betäubt es und vollführt dann einen Exekutionsmove, um die Gesundheit zu regenerieren. Man kann auch eine Granate ins Getümmel werfen, wenn man will, oder das Fury genannte Power-up aktivieren, das einen vorübergehend ein wenig stärker macht. Positiv anzumerken ist jedoch, dass in Space Marine Waffen und Munition fast überall überaus reichlich zu finden sind, so dass man ganz nach seiner persönlichen Neigung kämpfen kann (in meinem Fall bedeutet das „Trag einen großen Hammer und wenig sonst“), anstatt auf das beschränkt zu sein, was die Feinde fallen lassen oder das Spiel einem in jedem Stadium an Waffen zur Verfügung stellt.
Das ist sehr angenehm: Es ist zwar nicht Deus Ex, aber ich hatte stets das Gefühl, die Orks auf meine Weise zu bekämpfen und nicht in eine willkürliche Scharfschützensequenz oder etwas ähnlich Schreckliches hineingezwungen zu werden. Die besonders coolen Ausnahmen sind das mächtige Jump-Pack, das sehr schnelle horizontale wie vertikale Bewegungen ermöglicht, und der befriedigendste Angriff des Spiels, Slam’n’stun genannt. Leider kann man nicht entscheiden, wann und wo man über das Jump-Pack verfügt; man erhält es nur sehr selten und muss es nur allzu bald wieder ablegen. „Kein Sprit mehr“, murmelt Titus und legt es ab. Ja, und vor wenigen Momenten ging die Munition für den Bolter aus, aber das war nicht lange ein Problem, nicht wahr?
Das soll aber nicht bedeuten, dass das Jump-Pack eines der ganz wenigen Elemente des Spiels ist, die einem nicht bald auf den Geist gehen. Die Umgebungen ändern immer wieder ihr Aussehen – oder zumindest die Farbpalette, aber man läuft die ganze Zeit über vorgegebene Gänge in industriell aussehenden Gebäuden oder zerstörten Außenbereichen entlang, unterbrochen nur durch lange Fahrten in Aufzügen. Ich nehme einmal an, dass Designüberlegungen dafür verantwortlich sind, dass Space Marines keine Rätsel lösen, was vermutlich die richtige Entscheidung ist. Ich glaube jedoch nicht, dass es besonders klug war, alle Pausen im Spiel mit Aufzugfahrten zu füllen.
Es gibt einen Kernpunkt, den ich ständig umkreise, und zwar einen, der Space Marine weitgehend erklärt. Das Spiel zielt darauf ab, dass man sich in der Rolle eines Space Marine absolut wohl fühlen soll: Abwechslung und Umgebungen und alles andere, das kritische Geister vielleicht vermissen werden, wurden dem untergeordnet.
Ein Space Marine ist nicht einfach ein beliebiger Actionheld - und das liegt nicht nur daran, dass diese Typen so etwas wie intergalaktische Faschisten sind (leider wird das im spiel kaum thematisiert, denn Captain Titus ist ein aufrechter militärischer Held). In der Fiktion von Warhammer 40,000 sind die Space Marines Supermänner in gigantischen Rüstungen, die sich durch riesige Horden von Xenos schießen und schlagen können, was hier im Wesentlichen der Fall ist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man dem Tod in die Arme stolpert und der Gnade der Checkpoints ausgeliefert ist, aber viel häufiger kommt es vor, dass man 30 Orks tötet, ohne auch nur ins Schwitzen zu kommen. Mitunter - zu Beginn des Spiels, bei der Einführung des Thunder Hammers und der Meltagun (einer Waffe, die Napalm verschießt) und während der leider viel zu seltenen Jump-Pack-Abschnitte – ist das äußerst unterhaltsam. Einfach nur übertriebene und aberwitzige Science-Fiction-Gewalt in großem Maßstab. Das so etwas langweilig werden kann, ist erschütternd und mysteriös. Weiter und weiter und immer weiter und WO SIND DIE CHAOS ICH MÖCHTE JETZT ENDLICH GEGEN EINIGE CHAOS KÄMPFEN BITTEEEEE!!!
Die Chaos kommen nicht allzu lange vor, aber das bedeutet zumindest, dass sie nicht so langweilig werden wie die Orks. Sie sind eine wesentlich abwechslungsreichere Streitmacht und machen ein etwas durchdachteres Vorgehen erforderlich. Außerdem bieten sie die Möglichkeit, gegen ein dunkle Abbilder seiner selbst zu kämpfen sowie gegen Dämonen, Granaten werfende verräterische Wachen und überraschend tödliche Heretiker. Sobald sich Chaos in die Kämpfe einmischen, kann man nicht mehr ausschließlich auf eine Taktik vertrauen - die schweren Schusswaffen, für die es weniger Munition gibt, sind unerlässlich, wenn zwei oder mehr Chaos Space Marines auf einen zugeschossen kommen. Man bekommt rasch das Gefühl, dass sie echte Feinde sind – und die Orks nur eine Art Aufwärmtraining.
Spät im Spiel gibt es einige großartige Momente, in denen Orks gegen Chaos Space Marines gegen Space Marines kämpfen, dazu kommen einige gut gestaltete Bosskämpfe. Außerdem gibt es einen verlockenden Moment, in dem es den Anschein hat, als dürfe man die Kontrolle über eines der tollsten Fahrzeuge des imperialen Arsenals übernehmen, aber leider geht es dann mit einer filmischen Zwischensequenz weiter, nach der man noch einige Stunden Schießen und Schlagen vor sich hat.
Falls Sie die Demoversion gespielt haben - unbedingt zu empfehlen! -, wissen Sie, was Sie erwartet. Das Spiel ist im Prinzip die auf zehn Stunden ausgedehnte Demoversion. Mir gefällt das ganz gut und ich hielt auch bis zum Schluss durch, um diesen Testbericht schreiben zu können, obwohl ich mir nach ein paar Stunden schon sicher war, alles gesehen zu haben, aber ich wünschte mir, ich hätte es nicht getan und mir stattdessen die Begeisterung bewahrt, die sich beim Durchspielen der Demoversion einstellte. Die Basis, die rauhe und exzellente Space Marineartigkeit, ist etwas, auf dem sich aufbauen lässt, entweder mit einem DLC (eine Art Co-op-Modus ist schon in geplant) oder mit einer Fortsetzung, auf die das Spiel eindeutig abzielt.
Obwohl ich der ständigen Wiederholungen und Ähnlichkeiten müde wurde, fehlt mir das Ganze irgendwie, nun ich Space Marine nicht mehr spiele – es ist sehr befriedigend, eine kleine Armee mit Hammer und Laserkanone niederzumachen und dann einen absurd mit Blut bespritzten Titus eine Ehrenrunde durch den jetzt leeren Raum, in dem sich das abspielte, drehen zu lassen. In der vierjährigen Entwicklungszeit wurde eine solide Basis gelegt; leider geht Space Marine kaum darüber hinaus.
PRO: Tolle Welt; gute visuelle Umsetzung; gelungene Mischung von Hack-and-Slash- und Horrorgenre.
CONTRA: Vernachlässigbare Story; allzu lineare Kampagne; wenig originelle Umgebungen; nicht genügend Abwechslung.
Abschließende Bewertung
Spiel: 6,75
Spielspaß: 6,0
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