Bietet, was man erwartet – aber kaum mehr
Genau wie die Spider-Man Filme zur Wiederbelebung der Serie einer Transfusion neuen Blutes bedurften, waren Activisions Spider-Man Spiele reif für eine Überarbeitung. Nach einigen schrecklich linearen (und sehr durchschnittlichen) Abenteuern hätte The Amazing Spider-Man (basierend auf dem gleichnamigen Film) Spidey triumphale Rückkehr werden sollen – das erste Spider-Man-Spiel in vielen Jahren mit einer Open-World-Version von New York City. Stattdessen bietet man uns ein Abenteuer mit vielen Wiederholungen, das nur durch einige interessante Konzepte davor bewahrt wird, in Mittelmäßigkeit zu versinken.
The Amazing Spider-Man spielt in derselben Welt wie der gleichnamige Film und handelt von Dingen, die einige Wochen nach dem Finale des Films ereignen. (Warnung: Sehen Sie sich den Film unbedingt an, ehe Sie dieses Spiel spielen, da dieses einen großen Teil des Inhalts des Films verrät.) Dank Oscorp und ein wenig versehentlicher Hilfe von Spidey kommt es zu einem Ausbruch von Tiermenschen und einem Virus, das sich auf verschiedene Spezies ausbreitet und die Bewohner von New York in seltsame Kreaturen verwandelt. Unter Mithilfe von Curt Connors muss unser Held die Bürger der Stadt und seine Freundin Gwen Stacy retten.
Dass die Handlung des Spiels nach den Ereignissen des Films angesiedelt ist, ist ein Pluspunkt, da uns so die x-te Wiederholung von Spider-Mans Herkunft und Anfangszeit erspart bleibt. Aber da die Hauptprobleme des Plots des Films gelöst sind, müssen wir uns damit begnügen, einige Verlierer zu bekämpfen anstatt große Gegner wie den Lizard. Das bedeutet, dass wir uns mit persönlichkeitsfreien Versionen von Bösewichten wie Scorpion und Rhino herumschlagen oder mit noch langweiligeren Robotern konfrontiert werden. Ehrlich, gab es je einen überstrapazierteren Gegner in Comicbuchspielen als den 08/15-Roboter? Wenigstens sorgen Spideys leidlich lustige Sprüche und einige clevere Cameos von Bruce Campbell und anderen für ein wenig unterhaltsame Abwechslung.
Das grundlegende Gameplay eines Spider-Man-Spiels kann man kaum verbocken, vor allem wenn ein Entwickler wie Beenox mit der Arbeit betraut ist. Dies ist das dritte Spidey-Spiel dieses Entwicklers in ebenso vielen Jahren – und wie Shattered Dimensions und Edge of Time bleibt man nahe an der Formel, die Neversoft mit Spielen wie Spider-Man 2 und Ultimate Spider-Man schuf. Spider-Man bewegt sich genau so, wie man es erwarten darf – er schwingt sich durch die Stadt, fängt Bösewichte und Handlanger mit dem Netz ein, klebt an Wänden und macht alles, was eine Spinne kann. Seine flinken Bewegungen sind ein Amalgam dutzender verschiedener Herangehensweisen an Spidey, was ganz in Ordnung ist, nur eben nicht neu.
Zumindest unterscheiden sich die Kämpfe von vorangegangenen Spider-Man-Spielen, auch wenn sie merklich von einem anderen (nicht-Spidey) Spiel beeinflusst sind. Der Fluss der Kämpfe, in deren Verlauf Spidey Schläge und Combos aneinanderreiht, während er mit seinem Spider Sense (Spinnensinn) ausweicht und kontert, borgt viel von den Batman Arkham Spielen. Da er so im Schatten des (über)mächtigen Fledermausmannes steht, muss Spideys Kampfstil natürlich zweitklassig wirken, selbst wenn einige Lucha Libre Moves Parkers Stil eine eigene Note verleihen. Im Vergleich mit dem Kampfsystem von Arkham wirkt das hier gebotene wenig präzise – und das gilt noch viel mehr für Amazings Stealthtaktik, die sich zu sehr bemüht, auf Batman zu machen, aber dabei versagt, da aufgrund mangelnder Präzision wenig mehr möglich ist, als überraschte Feinde mit Netzen an der Decke festzukleben. Spidey kann viel von den großartigen Batman Titeln lernen, aber es ist hier schlecht umgesetzt. Noch dazu ignoriert diese halbgare Adaption vieles, was Spidey toll macht, während sie versucht, einen Stil umzusetzen, der nicht so ganz passt.
Im Unterschied zu den Möchtegern-Batman-Kämpfen sind die Bewegung durch die Stadt und die Erforschung purer Spider-Man. Das Schwingen zwischen den Gebäuden, das Patrouillieren der Stadt auf der Suche nach Kriminellen und das Erleben des Big Apple auf eine Weise, die nur Spidey möglich ist… das fühlt sich toll an, was vor allem auch daran liegt, dass die letzten Spider-Spiele - Shattered Dimensions und Edge of Time – nicht open world waren. Aber je länger man sich durch diese Stadt, die nie schläft, bewegt, desto steriler wird sie. Es gibt jede Menge Aufgaben zu erfüllen, aber handelt sich dabei immer nur um leichte Variationen einiger weniger Erfahrungen, etwa kleine kriminelle Aktivitäten unterbinden, jemanden von einem Ort an einen anderen bringen oder irgendwelche Photos zu machen. Obwohl es sich um die wahrscheinlich berühmteste Stadt der Welt handelt, verfügt Amazings NYC über keinen erkennbaren Charakter, auch wenn die schicke Grafik eine Stadt aufpeppt, die schon anno 2007 durchschnittlich gewirkt hätte. Im Vergleich mit vor kurzem erschienenen Open-World-Spielen wie Prototype 2 oder inFamous 2 (oder sogar Spider-Man: Web of Shadows) lässt diese Version des Big Apple stark zu wünschen übrig.
Zumindest macht ein Gameplay-Element der Stadterforschung abwechslungsreicher: die neue Web Rush Fähigkeit. In früheren Spider-Man-Spielen konnte es ziemlich mühsam sein, ein bestimmtes Hausdach oder einen bestimmten Ort in der Stadt zu erreichen. Besonders ärgerlich war es, ein in bestimmter Zeit zu erreichendes Ziel um Sekundenbruchteile zu verpassen oder eine Herausforderung zu starten, wenn man am falschen Platz steht. Web Rush beseitigt dieses Ärgernis, denn durch diese Fähigkeit wird die Zeit extrem verlangsamt und zugleich in die First-Person-Perspektive gewechselt, was dem Spieler die Möglichkeit gibt, jeden Punkt, den er sehen kann, als Spideys nächstes Ziel auszuwählen. Nachdem Sie das Ziel ausgewählt haben, schwingt sich der Held mit Hilfe seiner Netze genau dorthin, und zwar mit einer Präzision, die in den meisten Open-World-Spielen fehlt.
Die in Innenräumen angesiedelten Sequenzen leiden nach wie vor unter einem Problem, von dem die Spider-Man-Spiele schon seit Jahren geplagt werden: sie sind langweilig und restriktiv. Diese Segmente sind zumeist in feuchten Abwasserkanälen, leeren Bürogebäuden oder an ähnlich heruntergekommenen Orten angesiedelt, wobei die Indoor-Bewegungen durch das beschränkende, wenig einfallsreiche (und letztlich langweilige) Design behindert werden. Die Aufgaben beschränken sich auf die üblichen „betätigen Sie diesen Hebel, sammeln Sie drei von diesen Dingen, bekämpfen Sie den Boss im runden Raum“ Klischees. Dieses Gameplay ist nicht „falsch“ oder schlecht, sondern nur langweilig und einfallslos.
Noch schlimmer ist, dass die Bosskämpfe besonders klischeehaft und routiniert wirken. Gut die Hälfte von ihnen ist in Untergrundarealen oder anderen die Bewegungsfreiheit stark einschränkenden Umgebungen angesiedelt, anstatt von der offenen Welt Gebrauch zu machen und so das städtische Umfeld interessanter zu machen. Andererseits wirken die gelegentlichen Kämpfe gegen Riesenroboter in der Stadt ebenso vertraut, während sie zugleich das Realitätsgefühl zerstören, das der zugrundeliegende Film aufbauen möchte. Ein in der ganzen Stadt ausbrechendes seltsames Virus können wir akzeptieren, aber Godzilla-große Roboter, die plötzlich aus dem Boden auftauchen und sich durch Gebäude bohren? Das wirkt, als hätte man plötzlich angefangen, ein Transformers Spiel zu spielen.
Seit einigen Jahren warte ich gespannt auf ein Spider-Man-Spiel, das etwas Einzigartiges bietet. Leider erhalten wir mit The Amazing Spider-Man ein weiteres Spiel, das allzu sehr darauf Bedacht nimmt, nur ja niemanden vor den Kopf zu stoßen. Alles funktioniert und es macht noch immer Spaß, ein Videospiel-Spider-Man zu sein, aber dieses Spiel erinnert zu sehr an die Titel, die wir zuvor gespielt haben, allerdings ohne den Reiz von Spielen wie Web of Shadows oder Ultimate Spider-Man. Falls Sie sich unbedingt nach mehr Action als Peter Parker sehnen, werden Sie hier gut bedient, aber ein wesentlich passenderer Titel für dieses Spiel wäre „The Acceptable Spider-Man“.
PRO: Manhattan ist endlich zurück; der Web Rush Modus ist ein Feature, das Spidey schon seit Jahren haben sollte; das Vergnügen des Herumschwingens am Netz.
CONTRA: Kaum etwas Neues; die Bosskämpfe sind unglaublich langweilig; der Plot des Filmes wird verraten.
Abschließende Bewertung
Spiel: 5,5
Spaßfaktor 6,0
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