Nier: Automata ist ein Spiel, das die Bedeutung und die Konsequenzen des Menschseins auslotet, obwohl es in der Hauptgeschichte keinen einzigen richtigen Menschen gibt. In einer von Maschinen bevölkerten Welt kommt ein mechanisches Wesen, der Dorfanführer Pascal, dem Menschsein am nächsten und muss dafür einen hohen Preis bezahlen.
Automata spielt auf einer zukünftigen Erde, auf der ein scheinbar endloser Kampf zwischen den einfallenden außerirdischen Maschinen, die die Menschen zur Flucht zwangen, und den androiden Kriegern tobt, die die Menschen zurückließen, um mit dem Chaos fertig zu werden. 2B und 9S, zwei Androiden, die so gestaltet wurden, dass sie unglaublich attraktiven Exemplaren unserer Spezies ähneln, finden sich auf der verwüsteten Oberfläche unseres Planeten wieder, wo sie Unmengen verrosteter mechanischer Monster zerstören müssen.
Zu Beginn von NieR: Automata ist die Welt der Androiden schwarzweiß, mitunter buchstäblich. Maschinen sind geistlose Dinge, die zum Wohle der Menschheit zerstört werden müssen, und das ist alles. Trotz der üppiger werdenden Vegetation, die die Gebäuderuinen nach und nach überwuchert, die die beiden Androiden bei ihrer Ankunft auf der Erde sehen, während das Spiel Fahrt aufnimmt, und trotz 9Ss Neugier bleibt diese oberste Direktive uneingeschränkt in Kraft, bis die beiden eine sehr eigenartige Maschine kennenlernen..
Nachdem sie einen riesigen Maschinenboss besiegten, der von persönlicher Schönheit seltsam besessen war, führt eine fliegende Maschine, die als Zeichen der Aufgabe eine weiße Flagge trägt, in ihr Dorf, das tief im Wald versteckt ist. Maschinen sollten sich eigentlich nicht auf eine solche Weise organisieren. Maschinen sollten nicht einmal sprechen. Und Maschinen sollten ganz gewiss nicht so sein wie Pascal.
Pascal ist so viel hübscher als 2B, zumindest innerlich.
Pascal ist der Anführer einer Enklave friedlich gesinnter Maschinen. 2B und 9S stießen schon vor diesem Treffen auf Maschinen, die menschliche Verhaltensweisen zeigten (darunter eine bizarre Maschine, die eine Wiege schaukelte und immer und immer wieder „Baby“ intonierte), doch Pascal ist etwas völlig Neues und Anderes. Pascal wird von einer Frau gesprochen, empfindet sich aber als Mann, und ist ein mechanisches Wesen, das auf leise Töne setzt und einfach nur mit seinen Kindern konfliktfrei in seinem Waldversteck leben möchte.
Diese Begegnung verändert den gesamten Ton von NieR: Automata. Pascal sagt den Androiden, dass er nicht ihr Feind ist, und lädt sie ein, sich im Dorf umzusehen. Ein wunderschönes Stück Musik beginnt zu spielen, aufgebaut rund um das Nonsens-Geplapper von Maschinenkindern. Die Welt der Androiden nimmt langsam Farbe an.
Springen Sie im folgenden Video zu 3:30 vor, um die erste Begegnung der Androiden mit Pascal zu sehen.
Als ich das Spiel zum ersten Mal durchspielte, war dies der Moment, in dem ich anfing, mich wie ein völliges Arschloch zu fühlen, weil ich so viele Maschinenwesen erbarmungslos abschlachtete. Wenn man davon absieht, dass sie von Außerirdischen konstruiert wurden, muss man sich fragen, was Pascal und seine Leute von den Menschen unterscheidet, für die man in diesem Spiel arbeitet.
Ab hier folgen Spoiler!
Kurz nach der Begegnung mit Pascal erfahren 2B und 9S eine überraschende und aufrüttelnde Wahrheit über die Aliens, die vor hunderten Jahren die Maschinen einsetzten, um die Erde anzugreifen – sie sind allesamt tot, und das schon seit geraumer Zeit. Die Maschinen haben nach und nach angefangen, Emotionen zu empfinden und sich zu Gruppen zusammenzuschließen. Manche, wie zum Beispiel Pascals Dorf, haben das Kämpfen satt und möchten einfach nur leben. Andere Gruppen entwickeln komplexe Geschichten, um einen Grund zu haben, weiterhin zu existieren, darunter eine feudale Maschinengesellschaft, die die Aufgabe hat, ein königliches Kleinkind aufzuziehen, bis es groß genug ist, den Thron zu besteigen. Da sie ziellos in einer verwüsteten Welt zurückgelassen wurden, suchen die außerirdischen Maschinen nach einem Existenzzweck.
Während ich das Spiel zum zweiten Mal durchspielte, enthüllt der neugierige Android 9S ein weiteres schockierendes Geheimnis. Die Menschen, die von ihrer sicheren Basis auf dem Mond Befehle an die Android-Raumstation senden? Sie existieren nicht. Die Menschen sind seit tausenden von Jahren ausgestorben, seit dem Ende des ersten NieR. Das YorHa-Programm wurde entwickelt, um die Moral der Androiden-Truppen aufrechtzuerhalten – da sie keinen Existenzzweck mehr hatten, schufen sie sich ihren eigenen.
Mit wenigen ausnahmen gilt: Je menschlicher man in NieR: Automata aussieht, desto weniger menschlich ist man.
Und so haben wir es mit zwei mechanischen Gesellschaften zu tun, die verzweifelt nach einem Grund für die eigene Existenz suchen. Die Androiden entschieden sich für Krieg. Pascal und seine Leute wählten Frieden.Im weiteren Verlauf des Spiels erweist sich Pascal als ein unbezahlbarer Verbündeter für 2B und 9S, während sie gegen viel aggressivere Maschinenfeinde kämpfen. Sie bekommen es mit Gegner wie Adam und Eve zu tun, Brüdern, die aus dem neuralen Interface geboren wurden, das einst alle Truppen der Außerirdischen miteinander verband.
Als 2B Adam tötet, setzt der/die schmerzerfüllte Eve ein Logikvirus frei, das die Maschinen zur Raserei treibt, ein weiterer Fall, in dem menschliche Emotion lange nach dem Aussterben der Menschen Chaos verursacht. Und von diesem Virus sind nicht nur die Maschinen betroffen. Auch die Androiden werden feindselig, was zur Zerstörung ihres Orbitalsatelliten und dem Tod von 2B führt, die ihre Erinnerungen in den abtrünnigen Androiden A2 transferiert, ehe sie endgültig abschaltet.
Es ist A2 (mit mehr als ein bisschen Einfluss von 2B), der Pascal zu Hilfe eilt, als sein friedliches Dorf mit dem Logikvirus infiziert wird, was zur folge hat, dass die einst friedlichen Dorfbewohner einander in einer grauenvollen Darstellung abschlachten.
Und es ist A2, der an Pascals Seite kämpft, als die Fabrik, in der er und die übriggebliebenen Kinderroboter des Dorfes Zuflucht suchen, angegriffen wird. Doch als sich eine riesige Maschinenarmee ihrem Aufenthaltsort nähert und beabsichtigt, die letzte Bastion menschlicher Emotion, die Pascal und seine Kinder sind, zu eliminieren, ist es der Roboter selbst, der sich der Situation gewachsen zeigt – einer der triumphalsten Momente des Spiels.
Ich jubelte, als Pascal die Kontrolle über einen mechanischen Titanen übernahm, um seine Kinder zu verteidigen. Ich konnte die Liebe spüren, die er für diese winzigen Maschinen empfand. Ich war zutiefst erfreut, als er seinen riesigen Gegner im direkten Duell besiegte.
Ich hätte wissen müssen, dass dieses Hochgefühl nicht von Dauer sein konnte. Dies ist schließlich ein Yoko Taro Spiel, wo Glück immer klein geschrieben wird, damit es leichter ist, es mit Verzweiflung in grellem Rot zu überdecken.
Pascal eilt, um nach seinen Kindern zu sehen, aber es ist zu spät. Die kleineren Maschinen sind über den Boden der Fabrik verstreut, eine jede zerstört durch einen selbst beigebrachten Stich ins mechanische Äquivalent eines Herzens.
“I taught the children what fear is”, erklärt der verzweifelte Pascal. “I thought they had to know so they wouldn’t rush heedlessly into danger. But instead . . .” („Ich brachte ihnen bei, was Furcht ist. Ich dachte, sie müssten es wissen, damit sie sich nicht unbedacht in Gefahr begeben. Aber stattdessen...“)
Es sind die Ängste der menschlichsten Eltern, die hier in einem tragischen Moment augenscheinlich gemacht werden. Alle wohlmeinenden Eltern fragen sich, ob sie ihren Kindern die richtigen Dinge beibringen und sie ausreichend vorbereiten, damit sie mit allem fertig werden können, womit das Leben sie konfrontiert. Für Pascal ist die Antwort zu schwer, um ertragen zu werden.
Der schönste Charakter im Spiel ist erledigt. Der Spieler hat nun eine Wahl – er kann Pascals Erinnerungen löschen oder ihn töten. Ich vergoss die eine oder andere Träne, als ich ihn aus seinem Elend erlöste. Die letzten Menschen mögen vor Jahrtausenden gestorben sein, doch die Menschlichkeit starb durch A2s Klinge.
Wenn der Spieler sich hingegen dazu entschließt, seine Erinnerungen zu löschen, taucht der Maschinenmann ganz am Ende des Spiels noch einmal auf. Als eine Arche, die die Saat mechanischen Lebens enthält, auf der Suche nach einem neuen Planeten ins Weltall aufbricht, steht Pascal ganz allein da, die letzte lebende Maschine auf dem Planeten.
Betrauern Sie den einsamen Roboter nicht. Er kann sich nicht daran erinnern, wie man Furcht oder Kummer mit einem Lachen abtut. Menschlichkeit, das Menschsein, ist nicht immer so toll, wie getan wird. Pascal ist ohne menschliche Empfindungen viel besser dran.
NieR: Automata ist eines der traurigsten Spiele aller Zeiten
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