Juice WRLD: Death Race for Love (Grade A/Interscope)
Emo-Rap hat in seinen wenigen Jahren auf Erden noch keine Preise für sein Image gewonnen. Da Genre wurde rasch sehr beliebt und erfolgreich, um dann ebenso rasch in Skandalen zu versinken. Man kann seine Künstler an ihren Gesichtstätowierungen, Frisuren in Regenbogenfarben und Namen, die von verschreibungspflichtigen Medikamenten inspiriert sind, erkennen, aber auch an ihrem vorzeitigen Ableben (Lil Peep), angeblichen Straftaten (Tekashi 6ix9ine) oder beidem (XXXTentacion).
Doch wie beunruhigend oder grotesk man sie auch finden mag, diese Rapper haben den Sprung in den Mainstream geschafft. Junge Fans lieben sie und ihre gequälten Texte. Und der 20-jährige Juice WRLD aus Chicago ist sowohl das nächste vielversprechende Talent und der poppigste Vertreter des Genres. 2018 erreichte er in den USA mit „Lucid Dreams“ , einem Track, für den er Sting sampelte und in dem er nach einer Trennung über Tod und Selbstmord nachsinnt, Platz 2 der Single-Charts.
Sein zweites Album innerhalb eines Jahres ist exzessiv lang, was den Eindruck erweckt, dass er dass Emo-Rap-Pferd noch schnell ordentlich peitschen möchte, ehe es den Geist aufgibt. Aber wenn sich die Vorlieben ändern, verfügt Juice WRLD womöglich über die Fähigkeiten, aus diesem Genre auszubrechen und andere Pfade zu beschreiten. „Hear Me Calling“ ist wahrscheinlich der beste „dancehall-lite“ Track seit Justin Biebers „Sorry“ und „Flaws and Sins“ ist ebenso melodisch. Es gibt auf diesem Album nur wenige Gaststars (nur Young Thug, Clever und Brent Faiyaz), aber dafür jede Menge misanthropische Tracks, die zum Mitnicken einladen und Juices Fall Out Boy-artiges Gejammer oder seinen rauen Flow in den Vordergrund rücken: er ist vielseitiger und auch talentierter als seine Kollegen.
Man kann vielleicht erkennen, warum Emo-Rap Gen Z-ers anspricht, die die Coolness des Hip-Hop schätzen, aber mit seiner ursprünglichen Beschäftigung mit dem Leben auf der Straße und in Gangs wenig anfangen können. Wesentlich mehr Angehörige dieses Zielpublikums haben Erfahrungen mit universellen traurigen Momenten wie dem Verlassenwerden. Doch letztlich hinterlassen die Selbstmordanspielungen in Songs wie „Empty“ und zwangloser Misogynie im herausfordernd gewaltverherrlichenden „Syphilis“ einen üblen Beigeschmack. Dennoch (oder vielleicht gerade deshalb?) wird dieses Album sehr erfolgreich sein.
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