Rough Trade
Rough Trade ist so etwas wie der Big Daddy der britischen Indie-Labels und machte einige Hochs und Tiefs durch, seit es im Jahre 1978 von Geoff Travis im Hinterzimmer seines Plattenladens in Notting Hill gegründet wurde. Zu den ersten Bands, die auf dem Label erschienen, zählten die Smiths, The Fall und Stiff Little Fingers, von deren Inflammable Material (es war dies übrigens Rough Trades erstes Album überhaupt) mehr als 100 000 Stück verkauft wurden. Das Label ging 1991 in Konkurs und verpasste eine ganze Dekade, doch bald nach der Wiederbelebung im Jahre 2000 stolperte Geoff Travis über eine wenig bekannte New Yorker Band namens The Strokes. Das Label gehört jetzt zur Beggars Group und managt so unterschiedliche Gruppen wie Anthony & the Johnsons und Micachu.
Creation
Zwischen 1983 und 1999 waren nicht nur die bei Creation unter Vertrag stehenden Künstler, sondern auch die Manager des Labels für die mit Abstand meisten Drogen- und anderen Skandale in der britischen Musikszene verantwortlich. Im Gegensatz zu den meisten Labels, die Künstler mit lukrativen Verträgen zu ködern suchen, setzte Creation einem früheren Mitarbeiter zufolge darauf, die „Bands mit Alkohol und Drogen gefügig zu machen“. Diese Taktik wirkte bei Oasis, dem mit Abstand größten Erfolg des Unternehmens, und Primal Scream wahre Wunder. Doch trotz etlicher toller Bands schaffte es das Unternehmen von Allan McGee nie, Gewinn zu machen.
Factory
Nur wenige ehemalige britische Musikinstitutionen lassen so viele nostalgische Gefühle aufkommen wie Factory, das Label, das Manchester auf der musikalischen Landkarte etablierte. Factory wurde 1978 von Tony Wilson und Alan Erasmus gegründet und bleibt sowohl wegen seiner Erfolge – Joy Divison und New Order, die große Zeit des Hacienda Nachtclubs, die Coverdesigns von Peter Saville – als auch wegen seiner Tiefpunkte - vor allem der Selbstmord von Joy Divisions Ian Curtis im Mai 1980 – unvergessen. Bemerkenswert war auch Wilsons furchtlose Herangehensweise, denn er machte es sich zur Aufgabe, „schwierige“ Bands zu fördern, und verzichtete darauf, sie zur Unterzeichnung von Verträgen zu zwingen. Das Label wurde 1992 zu Grabe getragen, aber Factorys Einfluss ist noch heute spürbar.
XL Recordings
Nur wenige Labels verstehen es, Kritikerlob und kommerziellen Erfolg ähnlich souverän zu vereinen wie XL Recordings. Es begann 1989 als Dance-Ableger von Beggars Banquet Records und hat seither stetig an Bedeutung gewonnen. Das Label hat ein wahres Who´s Who an interessanten Crossover-Talenten unter Vertrag – MIA, Dizzee Rascal, the xx, Vampire Weekend – und da Adeles zweites Album – Titel: 21 – zurzeit die internationalen Charts dominiert, werden die Buchhalter von XL Recordings wohl jeden Tag grinsend zur Arbeit gehen. Während das Label blüht und gedeiht, gelingt es Richard Russell, dem allgegenwärtige Boss, seine Glaubwürdigkeit in Musikerkreisen zu bewahren: seine neueste Verpflichtung ist das Rapwunderkind Tyler, the Creator aus Los Angeles.
Warp
Sollte man die ersten Jahre von Warp Records in einem Geräusch zusammenfassen, wäre das wohl ein lauter Piepton. Das Label aus Sheffield, mit Bands wie LFO, infizierte die Technolandschaft der frühen 1990-er Jahre mit Bass und einer Palette von Piepklängen. Über die Jahre hat sich Warp vom Dancefloor weg- und zu intelligenterer elektronischer Musik (alles von Autechre) und nuancierter Rockmusik (etwa Grizzly Bear) hinentwickelt. Die Veröffentlichungen sind immer einfallsreich und wohlüberlegt, doch mindestens ebenso beeindruckend ist das visuelle Verständnis des Labels, das vor allem in der Zusammenarbeit mit Designers Republic und dem Regisseur Chris Cunningham, der uns mit Aphex Twins´ „Windowlicker“ Video traumatisierte, tolle Resultate zeitigte.
Ninja Tune
Ninja Tune wurde 1990 von Coldcut gegründet, weil das DJ-Duo mit der britischen Musikindustrie alles andere als zufrieden war und nach musikalischer Erneuerung strebte, was nicht zuletzt auf ein reges Interesse am Fernen Osten zurückzuführen war. Genau wie das Logo, ein Schallplatten werfender Ninja, wurde auch der Sound des Labels mit den Jahren immer futuristischer und entwickelte sich von Instrumental-Hip-Hop und Nu-Jazz hin zu Dubstep und modernsten Electronica-Klängen. Funky Porcinis Hed Phone Sex war einer der frühesten Erfolge; zu den Triumphen der jüngeren Zeit zählt London Zoo von The Bug. Ninjas Hip-Hop-Ableger Big Dada pflegt britische Talente wie Roots Manuva und DELS.
Domino
Domino Records wurde 1993 von Laurence Bell gegründet, um amerikanische Musik für Großbritannien zu lizenzieren, und ist mittlerweile finanziell sehr einträglich. 2006 wurde Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not von den Arctic Monkeys zum sich am schnellsten verkaufenden Debütalbum der britischen Chartsgeschichte. Davor hatte das Label schon große Hits mit den ersten beiden Alben von Franz Ferdinand, die die Majors links liegenließen, um mit dem kleinen Label aus Südlondon zusammenarbeiten zu können. Dank dieser Stars kann Domino weiterhin unkonventionelles Material von Künstlern wie Anna Calvi, Wild Beasts und Four Tet veröffentlichen.
4AD
1980 borgten sich Ivo Watts-Russell und Peter Kent £2000, um einen Ableger von Beggars Banquet zu gründen. Da die Punk-Ära zu Ende war, setzte 4AD auf atmosphärische, düstere, emotionale Musik von Bands wie Bauhaus und Cocteau Twins. Im Laufe der 1980-er Jahre weitete man die Palette aus, veröffentlichte den Klassiker „Pump Up The Volume“ von M/A/R/R/S und widmete sich auch verstärkt der amerikanischen Rockszene. Hier konnte man mit den Pixies, Throwing Muses und später den Breeders die größten Erfolge feiern. Nach mehr als 30 Jahren erfreut sich 4AD nach wie vor bester Gesundheit, vor allem dank einer neuen Generation amerikanischer Bands wie Deerhunter, Ariel Pink und Gang Gang Dance.
Hyperdub
Dubstep ist mit Sicherheit der aufregendste Musikstil, der in den letzten 10 Jahren von den britischen Inseln gekommen ist, und kein Label hat mehr für dieses Genre getan als Hyperdub, das von dem schottischen DJ/Produzenten Steve Goodman geführt wird. Der wohl berühmteste bei Hyperdub unter Vertrag stehende Künstler ist Burial, dessen zwei von den Kritikern begeistert aufgenommene Alben melancholischen Dubstep mit Elementen von 2-Step Garage und House vermischen. Das Label hat außerdem Material von Joker, King Midas Sound und Darkstar sowie von Steve Goodman selbst (unter seinem Pseudonym Kode9) herausgebracht. Die Kompilation 5: Five Years of Hyperdub bietet eine hervorragende Einführung in die Leistungen des Labels.
Mute
Daniel Miller hatte gar nicht die Absicht, eines der größten britischen Independent-Label ins Leben zu rufen, als er 1978 als The Normal eine Single herausbrachte, doch es kam nun einmal dazu. Auf der Rückseite der Single, die ein Überraschungserfolg wurde, fand sich Millers Adresse, was dazu führte, dass ihm reihenweise hoffnungsvolle Nachwuchsmusiker Demos zusandten. Er entschloss sich, einige davon zu veröffentlichen – und Mute Records ward geboren. Aufgrund seiner Vorliebe für Synthesizermusik nahm Miller Bands wie Depeche Mode unter Vertrag, doch die Ästhetik von Mute ist schwer festzumachen. Wie ordnet man ein Label ein, dessen Backkatalog Nick Cave und Moby, Add N to (X) und Goldfrapp umfasst?
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