Terraria könnte man leicht als 2D Minecraft-Klon abtun, aber das wäre beiden Spielen gegenüber unfair. Minecraft ist in erster Linie ein Sandbox-Spielzeug und ein Medium zum Errichten aufwendiger Strukturen, Skulpturen und Mechanismen, weshalb seine spieleartigeren Elemente - etwa Monster bekämpfen und Gegenstände erbeuten - mitunter eher wie nachträgliche Einfälle wirken. Bei Terraria sinddie Prioritäten genau umgekehrt. Obwohl es viel Spaß macht, Gebäude und Megaprojekte zu errichten (irgendjemand baute vor kurzem World 1–1 aus Mario Bros. nach), sind die größten Vorzüge des Spiels sein befriedigendes Kampfsystem, die vielen verschiedenen Feinde und Gegenstände und das Gefühl echten Fortschritts. Es sind zwei außergewöhnliche Spiele, die demselben Stamm entsprossen.
Die Inspiration durch Minecraft ist zunächst fast schmerzhaft offensichtlich. Ein typischer erster tag beginnt mit Holzfällen, dem Zusammenzimmern einer Werkbank und dem hastigen Errichten eines Hauses, in dem man sich des Nachts vor Zombieattacken verschanzen kann. Das sollte Ihnen bekannt vorkommen. In der Folge macht man sich auf, in Höhlen und Schächten nach Erzen zu suchen, um Rüstungen aus Silber, Gold und Eisen sowie Waffen schmieden zu können. In Minecraft ist dies der Moment, wo Sie alles beherrschen, was Sie wissen müssen, die meisten Werkzeuge beisammen haben, die Sie brauchen werden, und vermutlich dazu übergehen, sich Ihren Spaß selbst zusammenzubasteln. Im Falle von Terraria ist dies jedoch kaum der Anfang. Jenseits dieser ersten Höhlen und selbst gebauten Gegenstände gibt es eine lange Reihe einzigartiger Umgebungen zu erforschen, eigenartige Gegenstände und Materialien zu finden und zu erschaffen, Bosse zu bekämpfen und eine ganze hilfsbereite NPC-Dorfgemeinschaft, die einzieht, sobald Sie ihnen Unterkünfte gebaut haben.
Jede abgeschlossene Aufgabe führt unweigerlich zu einer neuen Herausforderung, und zwar auf eine Weise, die einem ständig das Gefühl gibt, etwas erreicht zu haben, während man auch weiß, dass die Arbeit noch lange nicht zu Ende ist. Hat man erst einmal herausgefunden, wie man den ersten, überraschend schwer zu bezwingenden Boss herbeirufen und schlagen kann, erhält man Zugriff auf neue Materialien, die für die Herstellung jener Werkzeuge erforderlich sind, mit denen man eine bis dahin undurchdringliche Steinart zerschlagen kann. Dann möchte man böse Kugeln zerschlagen, die praktischerweise vom nächsten Boss bewacht werden. Durch Zerstören dieser Kugeln ergibt sich auch eine Chance, dass ein Meteor vom Himmel stürzt, der aus Materialien besteht, die man für die nächstbesseren Werkzeuge benötigt. Und so weiter. Manche dieser Aufgaben können in willkürlicher Reihenfolge oder auf verschiedene Weise erledigt werden, was dem Spieler die Möglichkeit gibt, über seinen Fortschritt zumindest teilweise selbst zu entscheiden.
Wann immer eine Aufgabe zu langweilig oder mühsam wird oder zu schwierig erscheint, kann man leicht eine andere finden und sich eine zeitlang ablenken. Die Erforschung von Höhlen bietet die Chance, versteckte Truhen zu finden, die seltene Objekte enthalten, die von unnützen, aber unterhaltsamen Kleinigkeiten wie Furzkissen bis hin zu lebenswichtigen Dingen wie lebensverlängernden Herzen und der Doppelsprung-Fähigkeit reichen. Umgebungen wie unterirdische Dschungel und die tiefsten Höllenlevel beheimaten einzigartige Monster und weitere wertvolle Belohnungen, die am Anfang des Spiels schwer, aber nicht unmöglich zu erringen sind, wenn der Spieler über entsprechende Fähigkeiten und Ausdauer verfügt.
All das würde kombiniert ein ziemlich schickes, aber keineswegs sonderlich originelles Erforschungs-Abenteuerspiel im Metrovoidvania-Stil ergeben. Terrarias Sanbox-artiger Aufbau ist es, der es von ähnlich gelagerten Spielen unterscheidet. Ein unzugängliches Unterwasserareal könnte mit einem Atemgerät und Schwimmflossen erforscht werden, wenn man denn darüber verfügt, aber ein Spieler mit Interesse am Ingenieurswesen könnte auch eine Reihe von Gängen graben und den See trockenlegen. Wenn er besonders geschickt ist, leitet er das Wasser in einen Lavastrom ab und schafft so das seltene Obsidian. Ein besonders lästiger Boss könnte leichter besiegt werden, wenn der Spieler zuvor ein für seine Zwecke geeigneteres Schlachtfeld konstruiert. Die Räume und Häuser, die Ihre NPC-Verbündeten beherbergen, könnten einfache Hütten mit Holzwänden sein, aber sie sähen soviel besser aus mit Kronleuchtern, Wänden aus Goldbarren und vielleicht sogar einem mit Lava gefüllten Graben, der vor Zombieangriffen und Goblinarmeen schützt. Und selbstverständlich ist das Erforschen um einiges leichter, wenn man zuvor sichere Aufbewahrungsorte an leicht zu erreichenden Stellen überall in der Spielewelt errichtet haben.
Aber vielleicht möchten Sie ja lieber die Landschaft mit riesigen Wandgemälden verschönern. Eine Burg, die wie ein gigantischer Space Invader aussieht, wird Ihre Freunde mit Sicherheit beeindrucken, sollten Sie Gäste einladen. Terraria sorgt für dutzende Stunden Einzelspieler-Erforschungsspaß, aber online mit Freunden und Fremden zu spielen sorgt für noch viel größeres Vergnügen. Es ist immer sehr nützlich, einen Freund oder auch zehn Freunde zu haben, die einem den Rücken freihalten, wenn man irgendwo nach Erzen schürft, oder einem helfen, einen besonders widerspenstigen Boss zu besiegen, oder mitarbeiten, wenn es gilt, eine mächtige Festung oder ein beeindruckendes Kunstwerk zu errichten. Oder vielleicht macht es Ihnen mehr Spaß, die PvP-Flagge zu hissen, um herauszufinden, wer der härteste Typ im Terraria-Universum ist. Geschick und Erfahrung sind hier tatsächlich von großer Bedeutung: die bessere Ausrüstung bietet selbstverständlich eindeutige Vorteile, aber das heißt noch lange nicht, dass der Typ mit der tollsten Rüstung und den effektivsten Waffen gewinnen muss, vor allem dann nicht, wenn der Gegner die Landschaft genau kennt und vielleicht zuvor die eine oder andere Falle angebracht hat.
Leider ist der Multiplayer-Teil auch das Einzige, womit es bei Terraria gewisse Probleme gibt. Alle Gegenstände, die man mit sich führt oder irgendwo sicher gelagert hat, werden von einem Spiel ins andere mitgenommen. Auch können Einzelspielerwelten im Mehrspielerteil mit anderen geteilt werden. Sobald man in die Multiplayer-Welt eingetaucht ist und mit Freunden zusammen Monster bekämpft, Gebäude errichtet oder sich in Teams aufteilt und einander bekämpft, kann man tonnenweise Spaß haben. Doch dorthin zu gelangen, ist schwieriger, als es heutzutage sein sollte. Ein separates Exemplar des Spiels muss als Server herhalten und es ist nicht möglich, aus dem Spiel heraus mit Freunden Kontakt aufzunehmen. Verbindungen werden über IP-Adressen aufgenommen, eine Im-Spiel-Serverliste muss erst noch implementiert werden. Irgendwann einmal wird das vermutlich durch Steams „Join a friend’s game“ Feature ersetzt, aber im Moment ist es ziemlich nervend.
Terraria ist ein fantastisches Abenteuer, eines der besten derzeit erhältlichen Sandbox-Spiele und für $10 auf Steam geradezu geschenkt. Es kann jedem rückhaltlos empfohlen werden, unabhängig davon, was er oder sie von Minecraft halten mag. Obwohl es eine Dimension weniger zu bieten hat, verfügt Terraria über wesentlich mehr Tiefe als sein 3D-Cousin.
PRO: Umfangreicher Einzelspielerteil; grenzgenialer Sandbox-Aufbau; viele Gegenstände und Materialien; viel Entscheidungsfreiheit für den Spieler; unterhaltsamer Multiplayer; unschlagbarer Preis.
CONTRA: Eine Mehrspielerpartie in Gang zu bringen, ist unnötig schwierig.
Abschließende Wertung
Spiel: 9.25
Spaßfaktor: 9.0
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen