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In Videospielen sollte es weniger Achievements geben

 

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SOMA ist ein herausragendes Spiel. Eine der Arten, auf die es sich von anderen Spielen positiv abhebt, ist der zurückhaltende Einsatz von Achievements. Es gibt davon auf Steam lediglich 10 (beziehungsweise 10 Trophäen auf der PlayStation 4) und sie alle Markieren lediglich Fortschritte im Spiel. Sie tauchen in unregelmäßigen Abständen und stets überraschend auf. Ich war mir nie sicher, wann eines aufscheinen würde und warum. Man wird typischerweise nicht nach besonders dramatischen Momenten im Spiel mit ihnen belohnt. Ihr Hauptzweck scheint zu sein, die Spieler wissen zu lassen, wie nahe sie dem Ende bereits sind.

Das Resultat dieser Zurückhaltung ist ein Spiel, das wie seine eigene Belohnung wirkt. Da es keine goldenen Sterne oder Noten in Form von Buchstaben für das absuchen von Räumen nach Bildern und Dokumenten oder das Anhören von Audiobotschaften auf Computerterminals gibt, haben die Spieler mehr Freiheit, sich voll und ganz dem Vergnügen hinzugeben, das das Erkunden der Spielwelt und das Entdecken verschiedenster Dinge mit sich bringen.

Die Toilette, deren Spülung man betätigen kann, in der Öffnungssequenz des Spiels ist ein ruhiges (und, wenn man die Spülung betätigt) Beispiel für diese Herangehensweise ans Spieldesign. Das Spiel belohnt den Spieler nicht für die Betätigung der Spülung, sondern es macht einfach Spaß. Die Belohnung für das Betätigen der Spülung der Toilette in SOMA besteht einzig und allein darin, zu hören und zu sehen, wie die Toilette gespült wird. Das Spiel ist sein eigenes Vergnügen.

SOMA wartet auch nicht mit einem Metaspiel auf, das einen dafür belohnt, dass man im Laufe des Spiels 20 Toilettenspülungen betätigt. Es gibt dafür kein Abzeichen, keinen Punktebonus, nichts. Wenn eine Aktivität langweilig ist – und 20 Toilettenspülungen zu betätigen, erscheint ziemlich langweilig -, dann sollte das Spiel die Spieler nicht zu dieser ermuntern. Wenn eine Aktivität lohnend und befriedigend ist – und die Betätigung dieser bestimmten Toilettenspülung wirkt wie eine Belohnung -, dann besteht keine Notwendigkeit, dem Spieler ein Abzeichen oder eine Trophäe dafür zu geben, dass er etwas tut, das für sich schon wert ist, getan zu werden.

Vor einigen Jahren hielt Chris Hecker, ein Spieldesigner, der an Spore mitarbeitete und nun auf unbestimmte Zeit Spy Party gestaltet, auf der Game Developers Conference eine Rede über seine Angst, dass Achievements den Videospielen schaden könnten. Hecker befürchtete, dass Achievements – damals noch ein relativ neues Phänomen – das Medium von innen heraus schwächen, ja zerstören könnten, indem sie die den Spielen innewohnenden Vergnügen des Spielens durch die Leere äußerlicher Belohnungen ersetzen.

Psychologische Forschungen schließlich darauf hin, dass es oft negative Wirkungen hat, wenn man Leuten für interessante Aufgaben äußerlich erkennbare Belohnungen – goldene Sterne, Geld, Noten oder ähnliches – gibt. Viele Leute werden auf, diesen Aktivitäten um ihrer selbst willen nachzugehen – egal, ob es sich um Hobbys, Schulaufgaben oder das Spülen virtueller Toiletten handelt -, sobald die goldenen Sterne nicht mehr vergeben werden. Noch schlimmer ist, dass die Forschungsergebnisse den Schluss zulassen, dass viele Leute freiwillig langweilige und sogar sinnlose Aufgaben erledigen, wenn sie dafür dieselben nach außen wahrnehmbaren Belohnungen erhalten: Sie werden nun von den blauen Bändern und Trophäen motiviert, nicht von der Arbeit (oder dem Spiel) selbst.

Spieldesigner denken, wie Pop-Behavioristen, die von B.F. Skinner fasziniert sind, dass sie Achievements und andere nach außen wahrnehmbare Belohnungen einführen können, um die Spieler zu motivieren. “Do this and you’ll get that” (Wenn Sie das tun, erhalten Sie das), beschrieb Hecker dies. Dann warnte Hecker, Designer würden das unvermeidliche Ergebnis für die Spieler nicht verstehen, wobei er den Autor Alfie Kohn zitierte: “You end up hating the this and liking the that.”

Fünf Jahre später wird die Videospiel-Landschaft von an Achievements überreichen Checklists dominiert, auf denen sich vor allem ermüdende Aufgaben finden, die nur zu oft in Arbeit ausarten, so dass sich der Eindruck aufdrängt, dass Heckers Weltuntergangsszenario genau nach Zeitplan eingetroffen ist.

Achievements sind jedoch nicht grundsätzlich etwas Böses. Sie haben, wie auch Colletibles und ähnliches, durchaus ihren Platz und es ist möglich, sie überlegt und kreativ einzusetzen. Sie kommen allerdings nur sehr selten so zum Einsatz. SOMA lässt mich ernsthaft überlegen, die Benachrichtigungen für Achievements und Trophäen auf allen meinen Spielsystemen abzuschalten.

Indem es Achievements so vernünftig einsetzt – so vernünftig, dass es auch möglich gewesen wäre, sie ganz wegzulassen -, ermöglichte SOMA mir, es in meinem eigenen Tempo durchzuspielen – und zu meinem eigenen Vergnügen. Vielleicht habe ich das Eine oder Andere übersehen, aber das bedauere ich nicht, da mich niemand darauf hinwies. Sollte ich etwas verpasst haben, weiß ich gar nicht, dass es da ist. SOMA präsentiert sich dem Spieler nicht wie eine Serie jährlicher Zielvorgaben, die die Angestellten eines Unternehmens erreichen sollen.

Ich möchte Spiele spielen, weil ich die Interaktionen in ihnen mag, weil ich das Springen oder das Schießen oder das Lesen oder das Zuhören oder die Entscheidungen oder das Erkunden oder das Verstecken in einem dunklen Winkel, wobei ich inständig hoffe, dass das Monster bald den Raum verlässt, mag. Ich möchte sie nicht spielen, weil mir ein völlig Fremder mit einem herablassenden Klaps auf die Schulter gratuliert, wenn ich ein bestimmtes Ziel erreicht habe. Das lässt nur eine innere Leere zurück.

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