Ich stürzte mich in Hellblade , weil ich mir eine weitere rasante, unterhaltsame Tollerei der Leute von Ninja Theory erwartete, die uns zuvor mit Enslaved und DmC: Devil May Cry erfreut hatten. Nachdem ich etwas mehr als 20 Minuten gespielt hatte, musste ich den Controller weglegen. Ich war so gestresst, dass ich einfach nicht weiterspielen konnte.
Kleinere Hellblade Spoiler folgen.
Es war die erste Kampfsequenz, die mir – und der Protagonistin Senua, einer keltischen Kriegerin, die die Seele ihres toten Geliebten aus der Wikingerhölle befreien möchte - so zu schaffen machte. Nachdem ich durch einen Wald gestapft war, dessen Bäume wie die knochigen Finger des Todes aussahen, wobei in Senuas Kopf die ganze Zeit verstörende Stimmen plapperten, kam ich zu einigen Ruinen. Ich bemerkte sofort zwei Dinge: erstens öffnete sich der Pfad, auf dem ich unterwegs war, auf eine Weise, die geradezu „Kampfarena“ schrie, und zweitens achtete ich sehr genau auf die Mechaniken des Spiels, um mich von all den Schrecken abzulenken.
Wie aufs Stichwort tauchte ein Feind auf, eine Axt schwingende Monstrosität, die aus Erde, Zweigen und Sehnen zusammengesetzt war und mit jenseitiger Absicht auf mich zu kam. Es gab nur ein kleines Problem: Das Spiel hatte mir nicht beigebracht, wie man kämpft. Ich musste einige schwere Treffer einstecken, bis ich herausgefunden hatte, welche Tasten leichte und schwere Attacken bewirkten. Doch sobald ich einen Feind besiegt hatte, tauchte schon der nächste auf. Während sie nach und nach meine Gesundheit reduzierte, wurde der Bildschirm dunkler und begann zu pulsieren. Die Feinde wurden zu unantastbaren Schatten. Senua fiel und eine ähnliche Art Dunkelheit ergriff von ihrem Fleisch Besitz, beginnend mit ihrer Hand. Sie schrie.
Und schrie.
Und schrie.
Bis nichts mehr übrig war.
Mein Herz klopfte wild. Darstellungen von völliger Hilflosigkeit in Medien machen mir mitunter sehr zu schaffen, aber noch nie hatte ein Videospiel mich so erschüttert. Während ich mich zurücklehnte, informierte das Spiel mich, dass Senuas qualvoller Tod nur eine Vision der Zukunft gewesen war und wahr werden würde, wenn ich im Kampf oft genug unterlag. Es warnte mich, dass, wenn die Dunkelheit, die nun fester Bestandteil von Senuas Hand war, bis zu ihrem Kopf hochkroch, es ein dauerhaftes Game over zur Folge haben würde.
In jedem anderen Spiel hätte diese Abfolge von Ereignissen mich extrem frustriert. Kein Kampftutorial vor einer Begegnung mit Feinden, die mir eine meiner wertvollen wenigen Chancen raubte, Fehler zu machen? Doch Hellblade hatte seine Karten bereits auf den Tisch gelegt. Keine Gesundheitsanzeige, keine Tutorials, keine Atempause. Dies, erkannte ich, ist ein Spiel über einen Charakter, der den Punkt, an dem man sich mit solchen Kleinigkeiten wie dem Erlernen der Grundlagen abgeben konnte, längst hinter sich gelassen hatte, und auch nicht mehr bei bester Verfassung war. Senua ist am Rande eines völligen Zusammenbruchs. Ihr Körper verrottet. Ihr Verstand wird durch unablässige, lästige Stimmen beeinträchtigt, die nie aufhören, Zweifel zu säen, sie zu verspotten und zu bemitleiden. Was sie sieht, ist womöglich gar nicht real. Es ist ein Spiel das schwer zu spielen ist, aber nicht im traditionellen Videospielsinn, sondern weil es aktiv anstrengend ist. Es möchte, dass man wütend, verängstigt und erschöpft ist. Aber es möchte auch, dass man durchhält.
Hellblades Brillanz besteht darin, dass es diese Dinge nicht nur mit Hilfe von Ton und visuellen Elementen repräsentiert. Unerbittlicher Stress, Furcht und mentale Erschöpfung kennzeichnen die Mechaniken des Spiels. Nehmen Sie nur zum Beispiel die umstrittene Pseudo-Permatod-Mechanik. Sie kann extrem frustrierend sein – ich bin bisher drei Mal gestorben, und jeder Tod wirkte, als hätte ich ihn vermeiden können, ja müssen -, aber diese Mechanik sorgt dafür, dass jeder Kampf wirklich nervenaufreibend ist und man sich geradezu vor dem nächsten fürchtet. Kein Kampf ist bedeutungslos. Selbst jetzt, da ich über das Kampfsystem Bescheid weiß, das im Vergleich mit anderen Spielen aus dem Hause Ninja Theory ein bisschen zu simpel ist, fühle ich mich nicht richtig wohl und schon gar nicht selbstbewusst. Stattdessen bin ich verdammt ängstlich. Wann immer Senua einen Treffer einsteckt, zucke ich im realen Leben zusammen. Es gibt keinen Moment des Triumphs. Es bleibt nur Erleichterung, wenn ein Kampf überstanden ist.
Ich weiß sogar den Mangel an Klarheit rund um die Permadeath-Mechanik zu schätzen, bei der nicht einfach eine bestimmte Zahl von Toden dazu führt, dass man für immer erledigt ist. Sie eignet sich nicht dazu, sich mit ihr zu spielen und zu versuchen, sie bis ans Limit auszureizen, sondern wirkt mehr wie eine überirdische Macht die ständig droht, einen zu erwürgen, wenn man auch nur einen Moment unachtsam ist.
Die einzigen Momente, in denen Hellblade wirklich strauchelt, kommen, wenn das Spiel seinen erschöpften, aber selbstbewussten Marschrhythmus unterbricht, weil es anscheinend befürchtet, zu viel Zeit damit zugebracht zu haben, unkonventionell zu sein. Rätsel, bei denen man oft herumschlendern und Formen im eigenen Blickfeld mit Objekten in der Umgebung in Übereinstimmung bringen muss, wirken deplatziert und sind nie sonderlich interessant. Das Spiel neigt außerdem dazu, einen ein bisschen zu regelmäßig in Kämpfe zu verwickeln, so dass die Kämpfe mit der Zeit an Spannung einbüßen und deutlich wird, dass sich viele ihrer Elemente oft wiederholen. Eine schwerfällige Kamera und technische Probleme verschlimmern dies noch. Ich wurde zum Beispiel während eines Kampfes hinter eine unsichtbare Barriere gestoßen und starb, weil ich feindlichen Attacken nicht länger ausweichen oder diese abblocken konnte. Das war beschissen! Das drohende Gespenst des dauerhaften Todes verschlimmerte meine Frustration noch weiter.
Hellblade bemüht sich sehr, eine heikle Balance aufrechtzuerhalten. Das Spiel möchte oft erreichen, dass man frustriert und verwirrt ist und sich hilflos fühlt. In anderen Spielen sind diese Gefühle normalerweise an Rückschläge und Fehler geknüpft. Doch Hellblade versucht, sie zu Schlüsselelementen des Spielerlebnisses zu machen, die man früher oder später akzeptiert. Es ist ein Spiel, das über Kämpfe und Rätsel verfügt, die frustrierend sein können, aber es dreht sich nicht um diese Dinge, wie es in berüchtigt frustrierenden Spielen wie zum Beispiel Dark Souls der Fall ist – und auch die Frustration ist eine andere. Es dreht sich alles um einen Charakter und ihren Kampf mit psychischer Erkrankung. Der Rest des Spiels ist dazu da, um diesem Aspekt zu dienen.
Über weite Strecken funktioniert das. Es wird eine Atmosphäre kreiert, die erstickend stressig ist – eine, die einen in Senuas angeschlagenen Verstand schlüpfen lässt, damit man versteht, wie unglaublich stark und entschlossen sie ist, wann immer ihr auch nur die kleinsten Erfolge gelingen. Doch gelegentlich geht das daneben, so dass kultivierte Angst unbeabsichtigter Irritation und Wut Platz macht.
Nachdem ich es ungefähr fünf Stunden gespielt habe, ist dass höchste Lob, das ich Hellblade aussprechen kann, dass ich mich davor fürchte, den Rest zu spielen, es aber unbedingt tun möchte. Ich möchte nicht mitansehen, wie Senua sich hilflos vor Schmerzen windet, und ich möchte nicht frustriert fluchen, während Feinde sie langsam, aber sicher durch das Tor des Todes treten. Ich möchte nicht 15 Minuten spielen und das Gefühl haben, ich wäre eine Stunde gealtert. Ich möchte nicht das Ende erreichen, nur um einige wenige entscheidende Kämpfe zu verlieren und ein „Game over“ zu erhalten. Ich habe aber akzeptiert, dass diese Dinge wahrscheinlich passieren werden, und habe mich entschieden, trotz meiner Ängste und Befürchtungen weiterzuspielen.
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