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Jenny Wilson: Exorcism (Albumkritik)

 

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Jenny Wilson: Exorcism (Gold Medal Recordings)

 

 

Der erste Track auf Jenny Wilsons fünftem Album trägt den Titel „Rapin*“. Es ist ein schlichter, schockierender Titel für einen schlichten, schockierenden Song: Der Text beschreibt die Nacht, in der die schwedische Musikerin Opfer eines sexuellen Übergriffs wurde. Doch „Rapin*“ ist nicht nur sehr verstörend, sondern auch seltsam fröhlich. Wilson sagt, dass sie vor der Attacke durch die Clubs zog, und bezieht auch den früheren Teil des Abends in den Song ein, wobei surrende Synthesizer und knackige, eindringliche Beats zu einem unwiderstehlichen Groove verschmelzen. Die schuldbewusste Verwirrung, die sich einstellt, wenn man zu einem Song mit einem solchen Thema tanzt, wird bald zu Staunen über Wilsons Fähigkeit, dieses Unbehagen aufrechtzuerhalten. Wir hören Details der psychologischen Folgen der Vergewaltigung in schonungslosen Details – das Gefühl der Entfremdung, der Schrecken der auf den Intimbereich konzentrierten medizinischen Aufmerksamkeit, die Versuche, die Attacke zu verstehen und zu verarbeiten. „Lo’ Hi’“ ist eine unangenehme Erinnerung daran, dass es oft dem Vergewaltigungsopfer obliegt, Beweise für das Verbrechen zu liefern, während Wilson den Abend einmal mehr schildert – diesmal werden ihr Proteste lauter. „Disrespect Is Universal“ schildert ihren hoffnungslosen Versuch, ihren Vergewaltiger zu identifizieren, ehe sie für seine gewalttätige Frauenfeindlichkeit einen anderen Schuldigen findet: die Gesellschaft insgesamt.

 

Dies ist nicht das erste Mal, dass Wilson, die sich als Mitglied der in den Nullerjahren recht erfolgreichen Indie-Electro-Band First Floor Power einen Namen machte, ernstes Trauma in ihre Musik einfließen ließ: 2013 nahm sie Demand the Impossible! auf, während Sie sie wegen Brustkrebs behandelt wurde. Aber während damals viel von ihrer Erfahrung poetisch formuliert war, ist Exorcism unverblümt und unerbittlich. Wie Mount Eeries 2017 erschienenes Album A Crow Looked At Me, auf dem Phil Elverum mit niederschmetternder Offenheit den Tod seiner Ehefrau thematisierte, gelingt es Wilson trotz ihrer oft sehr prosaischen Sprache, das erschütternde Erlebnis zu reizvollen Songs zu verarbeiten. Sobald man den anfänglichen Schock überwunden hat, wird Exorcism zu einem enorm unterhaltsamen Album, und zwar nicht nur aufgrund seiner fesselnden Schonungslosigkeit, sondern auch wegen seiner Klangpalette: die ersten Tracks pulsieren vor kalter Angst, während Wilson für spätere Songs, die auf eine zaghafte Heilung hindeuten, wärmere Klänge wählte. Exorcism ist eine Lehrstunde in Katharsis und findet im Trübsal einen Funken Licht.

 

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