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Kanye West: Ye (Albumkritik)

 

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Kanye West: Ye (GOOD Music/Def Jam)

 

 

Als Chuck D von Public Enemy Hip-Hop als “CNN for black culture” beschrieb, ging er vermutlich nicht davon aus, dass die Eskapaden berühmter Rapper fixer Bestandteil der Nachrichtensendungen werden würden. Und doch sorgt Ye – das achte Studioalbum von Kanye West – dafür, dass der streitlustige und umstrittene Rapper, der sich darauf in freimütiger, sturer Form zeigt, einmal mehr in den Nachrichten auftaucht.

 

Auf dem mit sieben Tracks ziemlich kurzen Werk stellt der 40-jährige Superstar einmal mehr seine Fähigkeiten als Produzent unter Beweis, indem er zwischen sparsamen, hypermodernen Stilen und Kompositionen, die an seine vom Soul beeinflusste frühe Karriere erinnern hin und her, eine volatile Mischung des Lieblichen und Ätzenden, des Sentimentalen und Tendenziösen.

 

Textlich kann man ihn schwerer verteidigen. “I don’t take advice from people less successful than me”, höhnt West, der hochmütige Self-Made-Millionär, auf „Make No Mistake“, einem Song, dessen erste Strophe und erster Refrain (gesungen von Charlie Wilson und Kid Cudi) durchaus zu gefallen wissen, der aber dann zu einer Serie selbstgerechter Ausbrüche gerinnt.

 

Viel von YeKanyes wenig origineller Spitzname – wirkt roh, persönlich und hochaktuell: das Photo für das Albumcover wurde in Jackson Hole, Wyoming aufgenommen, während dort alles für eine private „listening party“ vorbereitet wurde.. „Yikes“ – musikalisch einer der besten Tracks – swingt, während sich West durch eine ganze Apotheke von Drogenanspielungen rappt und auf eine Episode im vergangenen Jahr zu sprechen kommt, als er wegen Erschöpfung ins Krankenhaus eingeliefert wurde: “on meds, off meds.” Wenn es auf diesem Album so etwas wie einer wertvolle Weisheit gibt, dass ist es die Furcht vor legalen opiumhaltigen Medikamenten, die für das vorzeitige Ableben von Prince, Michael Jackson und vielen anderen maßgeblich mitverantwortlich sind.

 

Auf „Wouldn’t Leave“, einem weiteren Track mit oberflächlich funkelndem Gebaren, rappt West über den Aufruhr, den er erst wenige Wochen davor auslöste, als er andeutete, dass 400 Jahre afroamerikanischer Sklaverei “a choice” war, nicht zwangsweise Gefangenschaft. “I said slavery a choice/They said ‘How ’Ye’/Just imagine if they caught me on a wild day.” Der Track bietet auch einen vielsagenden Schnappschuss der Folgen. “My wife callin’, screamin’/Sayin’ we ’bout lose it all.”

 

Hier wird viel Liebe für TV-Persönlichkeit Kim Kardashian spürbar, aber auch Sorge um die älteste Tochter des Paars. Auf „Violent Crimes“, dem letzten Track des Albums, verzweifelt West an der Männerwelt (“N****s is savage”) und hofft, dass North, wenn sie einmal groß ist, so stark sein wird wie Nicki Minaj. Die abschließende Voicemail-Mitteilung bestätigt, dass Minaj an einigen der Texte mitschrieb.

 

West versteht es in Zeiten von #MeToo zu provozieren, denn auf Ye finden sich zahlreiche Couplets, in denen er seine Vorliebe für “girls that’s basic” schildert, auf Indiskretionen anspielt und damit prahlt, wie oft er Implantate für Frauen bezahlt hat.

 

Es fällt West leicht, widerwärtig zu erscheinen: erst vor kurzem verstörte er einen großen Teil seiner Fangemeinde damit, dass er Donald Trump öffentlich unterstützte. Doch die Fähigkeit, sowohl zu schockieren als auch zu beeindrucken, ist seit langem ein wichtiger Aspekt der Anziehungskraft des Rappers. Dass Kanye West sich auf Ye gemeingefährlich und selbstmordgefährdet (beides auf einem Track, „I Thought About Killing You“) und väterlich gibt und noch dazu in der Lage ist, Musik von hoher Qualität zu produzieren, bestätigt, dass dieser polarisierende Star in seinem Eigensinn und seiner Disziplinlosigkeit zumindest beständig ist.

 

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