Das Neueste

Mafia 2 (Test): Lebe schnell, lebe gefährlich – und genieß es, so kurz es auch sein mag

 

mafia2-review-shootout1

Morgen. Das Telefon läutet, ich gehe ran. Es ist Joe, der mir die üblichen Ratschläge erteilt. Anziehen und Kanone einstecken. Ich gehe lieber zum Kühlschrank und gönne mir ein Bier. Ich schalte das licht im Badezimmer ein. Ich betätige die Toilettenspülung.

Keine dieser Aktionen in „Mafia II“ stammt aus filmischen Zwischensequenzen, was zugleich das Neue und das Traurige an 2K Czechs neuem Noir-Gangster-Spiel ist. Whiskey und Bier werden hinuntergestürzt, Lichter ein- und ausgeschaltet, Fenster gehen auf und zu, aus Wasserhähnen und in Badewannen und in Toiletten fließt Wasser.

Zu welchem Zweck? Werde ich mich in der Dusche verstecken und mit klatschnassen Klamotten jemanden von hinter dem Duschvorhang erschießen? Werde ich einen Spitzel verhören und dabei seinen Kopf gegen die Kommode knallen? Deuten diese Dinge auf irgendetwas Besonderes im Spiel hin? Nein, nein und nochmals nein.

Ein Großteil der liebevoll gestalteten Details von Mafia II, etwa die atemberaubende Schönheit der Architektur von Empire Bay, haben nur kosmetische Funktion als interessanter Hintergrund. Empire Bay ist eine Stadt, die den entzückenden Charme einer sehr ins Detail gehenden Modelleisenbahn ausstrahlt. Das Spiel selbst rast auf vorhersehbarer, gerader Strecke dahin und enttäuscht alle Erwartungen von Spieltiefe, die solch schöne und weitverzweigte Landschaften schüren.

Das Positive

Ein wahrer Augenschmaus: Die optische Opulenz ist der größte Vorzug von Mafia II und verleitet dazu, sich in die nicht genau vorgegebenen Momente des Spiels zu vertiefen, also zu gehen, statt mit dem Auto zu fahren, oder sich auf dem Weg zum Boss ein Bierchen zu gönnen. Es gibt keine Uhr auf dam HUD, aber man braucht auch keine: Die tolle Lichtgestaltung des Spiels lässt einen auf die Stunde genau wissen, wie spät es ist. Mitten im Winter weiß man immer noch, dass es ungefähr 2 Uhr nachmittags ist, wenn man vor der heruntergekommenen Bar ein Auto stehlen soll. Im Frühling ist man sich bewusst, dass der Arbeitstag zu Ende ist, obwohl die Action gerade erst beginnt. Autos werden nicht nur beschädigt, sie werden auch schmutzig und im Winter klebt Schnee an ihnen. Die Objekte, hinter denen man in Deckung gehen kann (in diesem Spiel fürs Überleben sehr wichtig!), können fast immer zerstört werden. Der Sound gibt die Atmosphäre perfekt wieder. Wenn man mit Kopfhörern spielt, glaubt man mitunter, dass die Polizeisirenen im eigenen Wohnviertel ertönen. Das Design von Mafia II verleitet einen dazu, voll und ganz in die Welt von Empire Bay einzutauchen, was sowohl ein Segen als auch ein Fluch ist, denn das Spielgeschehen ist im Vergleich dazu ein wenig matt, nicht zuletzt deshalb, weil Nebenmissionen fehlen (es gibt nicht einmal den Free-Ride-Modus des ersten Spiels).

Die Figuren im Spiel: Die Videospiele, in denen die Figuren mittels klar erkennbarer Mimik kommunizieren können, sind selten. Diejenigen in Mafia II können es dank einer Kombination aus hervorragendem Schnitt und außergewöhnlich detaillierten Gesichtsanimationen. In Mafiafilmen kommt es sehr stark auf subtile und unausgesprochene Momente an, weshalb es höchst erfreulich und ein wahrer Durchbruch ist, wie die computergenerierten Charaktere dieses Spiels den emotionalen Gehalt der von Schauspielern gesprochenen Dialoge spiegeln. Normalerweise wächst einem die Spielfigur durch die gemeinsam durchlebten Abenteuer ans Herz; ich freundete mich mit Vito, dem Protagonisten von Mafia II, auf die altmodische Art an – durch Rick Pasqualones schauspielerische Leistung. Sonny Marinellis Darstellung von Henry Tomasino, der von der Autoritätsperson zum Ausgestoßenen wird, ist wahrscheinlich die beste im ganzen Spiel und lässt einen wünschen, er würde öfter vorkommen. Robert Costanzas Joe Barbaro, der die Dreifaltigkeit komplettiert, ist ein vielseitiger Charakter, der zwischen Gewalt und Komik hin und her wechselt. Die Handlung mag von Zeit zu Zeit recht fadenscheinig werden, aber die darstellerischen Leistungen und die Dialoge zählen zum Besten, was in dieser jungen Kunstform zu finden ist.

mafia2-review-vitojoeentry2

Das Negative

Ein Sandkasten ohne Spielsachen: Mafia II bietet sehr wenige Anreize, die offene Welt, die mit soviel Aufwand geschaffen wurde, zu erforschen. Wie schon beim Vorgänger gibt es auch hier keine Nebenmissionen. Allerdings gibt es diesmal auch keinen Free-Ride-Modus. Falls Sie erforschen oder ein wenig Spaß haben möchten, müssen Sie dies tun, ehe Sie am Beginn eines Kapitels eine neue Mission triggern oder nachdem Sie den Auftrag erledigt haben. Der Handlungsverlauf tut sein Bestes, das zu unterbinden, denn nahezu alle Aufträge beginnen mit einem dringenden Anruf am Morgen, mit dem man sofort zu einem Treffpunkt beordert wird, und enden spät in der Nacht. Sie werden im Laufe der Missionen mehr als genug Geld verdienen und den von Ihnen getöteten Leuten ausreichend Waffen und Munition abnehmen, weshalb die dürftigen Nebenbeschäftigungen des Spiels – Geschäfte ausrauben und Autos stehlen – sinnlos erscheinen. Die traurigsten Verschwendungen sind Empire Bays Nachbauten von Empie State Building, Chrysler Building, Yankee Stadium und Brooklyn Bridge, deren Gehsteig begehbar ist. So detaillierte Nachgestaltungen verlangen geradezu danach, zum Schauplatz dramatischer Ereignisse zu werden, doch sie alle werden von der Geschichte ignoriert.

Die Polizei von Empire Bay: Die Polizisten im Spiel sind genauso nutzlos wie die Toiletten. Ihre AI ist einfach schlecht und ganz leicht zu täuschen. Als ich eine Tankstelle ausraubte, raste ein Polizeiauto in die Zapfsäulen und tötete alle umständen, doch mir wurde nicht einmal ein Haar gekrümmt. Dass sie bei Verfolgungsjagden mit Vorliebe rammen, lässt sich leicht ausnützen, vor allem auch deshalb, weil sie, wenn sie verunfallen, nicht schnell genug zu einem neuen Fahrzeug kommen, um die Verfolgung fortsetzen zu können. Wenn Ihr Auto zur Fandung ausgeschrieben ist, fahren die Polizisten viel zu rasch vorbei, als dass das hellblaue Suspect-o-Meter (heißt das Ding so?) ausgefüllt würde, das die Verfolgung auslöst. Ich wurde beim Stehlen von Autos oder Aufbrechen von Schlössern nie entdeckt. Strafzettel für Geschwindigkeitsübertretungen kann man ganz leicht durch Davonrasen umgehen, vor allem dann, wenn man ein wenig Geld in Motortuning investiert hat. Das Überfahren roter Ampeln, ein schwerer Verstoß in Mafia I, führt hier höchstens zu einem Tadel von Joe, falls er gerade Ihr Beifahrer ist.

mafia2-review-roomservice-shotgun-3 Zu wenig Action, noch dazu schlecht verteilt: Man verbringt sehr viel Zeit mit langweiligen Aufträgen oder dam Ansehen von filmischen Zwischensequenzen. Oft fährt man stumpfsinnig herum, weil die Orte, an denen Aufträge auszuführen sind, über die ganze Karte verstreut sind, wobei immer irgendwie dafür gesorgt wird, dass man nicht auf die Schnellstraße kommt. Ein besonders schlimmes Beispiel für das unausgewogene Design von Mafia II stellt ein Kapitel dar, in dem Ihr Auftrag darin besteht, jemanden vor einem bevorstehenden Anschlag zu warnen. Ich machte mir die Mühe und stoppte mit: 7:40 Zwischensequenzen, 8:51 Gesamtfahrzeit (man muss unter anderem in drei Minuten zum Schauplatz rasen, obwohl man nicht verfolgt wird) und nur 45 Sekunden Action, in denen man versucht, dem Typen das Entkommen zu ermöglichen. Die Zeit, die auf das Setup verwendet wird, ist einfach viel zu lange für ein so kurzes Spiel, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass die wichtigsten Momente Ihres Aufstiegs innerhalb der Mafia ausschließlich in Zwischensequenzen abgehandelt werden. Unter anderem verkaufen Sie in diesem Spiel Zigaretten von der Ladefläche eines Lastwagens; hätte man diese Sequenz nicht durch einen weiteren Mordanschlag oder ein weiteres missglücktes Drogengeschäft mit anschließender Flucht ersetzen können?

*Falls Sie sich die Spannung nicht verderben möchten, bitte nicht weiterlesen*

Die allzu klischeehafte Handlung: Die ersten sechs Kapitel von Mafia II sind sehr gut geschrieben – vielleicht ein wenig zu hektisch, aber dennoch glaubwürdig und mitreißend. Aber sobald Sie aus dem Gefängnis heraußen sind, strapaziert das Spiel jedes Klischee des Gangstergenres. Joe, Ihr fetter Fred Feuerstein von einem Freund, ist das beste Beispiel für das Versagen des Drehbuchs in punkto Emotionen. Natürlich dreht er durch, als ein Nebencharakter, der vielleicht fünf Zeilen Dialog hat, beim wichtigsten Mordanschlag des Spiels ums Leben kommt. Natürlich ist einer Ihrer Kumpel ein FBI-Spitzel. Natürlich gibt es spät im Spiel einen Verrat. Natürlich gibt es dann noch eine Wende. Das Ende des Spiels wurde ganz offensichtlich so angelegt, dass problemlos eine Fortsetzung gemacht werden kann, aber selbst dann ist es nicht mehr als ein Achselzucken wert; man fragt sich, was an dieser vorgeblichen Buddy-Crime-Story überhaupt erzählenswert sein soll.

*Ab hier können wider alle ohne Bedenken mitlesen*

Mafia II kann ohne größere Schwierigkeiten in einer Sitzung durchgespielt werden. Da es keinen Mehrspielerteil gibt – ich sage nicht, dass diese Art Spiel einen haben sollte -, glaube ich nicht, dass Mafia II den vollen Kaufpreis wert ist. Es würde einer Meine herunterladbarer Inhalte (DLC) bedürfen, um das Spiel auf annehmbare Länge zu bringen. Die Besitzer einer PS 3 erhalten gratis die Spielerweiterung „The Betrayal of Jimmy“, die etwas von dem strukturierten Chaos mit offenem Ende bietet, dass sich Fans von Sandkasten-Spielen erwarten. Die Erweiterung „Jimmy´s Vendetta“ soll im Herbst für beide Konsolen sowie PC veröffentlicht werden. Sie wird höchstwahrscheinlich nicht gratis sein.

Es ist nichts grundsätzlich falsch oder schlecht an Mafia II, aber das Spiel bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, die durch eine dreijährige Entwicklung und den sieben Jahre alten Vorgänger geweckt wurden. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass 2K Czech sechs großartige Kapitel schuf, in der Erwartung, ein Spiel zu entwickeln, dass zwei- bis dreimal so lange ist wie dieses, nur um sich genötigt zu sehen, das Ganze zu komprimieren, weil die Geldgeber endlich ein fertiges Produkt sehen wollten.

Viele werden die wunderschöne Grafik und die zerstörbare und interaktive Umgebung bewundern, die in der Tat beeindruckend sind. Aber das ist ein Mafia-Spiel. Ich möchte Geld stehlen und Leute töten, nicht die Toilettenspülung betätigen und das Licht ausschalten.

Mafia II wurde von 2K Czech entwickelt und wird von 2K Games vertrieben. Das Spiel ist ab heute für PlayStation 3, Xbox 360 und PC erhältlich. Der empfohlene Richtpreis beträgt €59.99.

 

Verwandter Beitrag:

Der Soundtrack von Mafia II – Alle Lieder

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Spass und Spiele Designed by Templateism.com Copyright © 2016 |

2013 - 2016 Spass und Spiele. Designbilder von Bim. Powered by Blogger.