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Homefront ist ein emotionaler Shooter, der einiges schuldig bleibt (Test)

 

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Ich musste während der Anfangssequenz von Homefront beinahe weinen.

Da werden die tiefsten menschlichen Gefühle angesprochen. Diese ersten Momente sind so clever gestaltet, dass sie einen sofort in das Spiel hineinziehen, und zwar auf einem so emotionalen Level (zumindest für US-Amerikaner), wie es kaum ein Titel zuvor vermochte.

Homefront zeigt wie Colorado von einmarschierenden koreanischen Truppen zu einem Ghetto gemacht wird. Es vereint alle Gräuel des Zweiten Weltkriegs und transportiert diese in eine moderne, nur allzu schmerzlich bekannte Umgebung. Die Macher sind jedoch intelligent genug, um zu wissen, dass ein unter feindlicher Besatzung leidendes Land die Emotionen nicht so anspricht wie die Pein eines einzelnen Kindes.

Emotional aufwühlend, mit einer Geschichte nahe an der Realität, lässt Homefront den Spieler die Kontrolle über einen früheren Hubschrauberpiloten der Marines übernehmen, der von den einfallenden Truppen rekrutiert, dann aber von der Widerstandsbewegung auf die richtige Seite geholt wurde.

Warum Sie sich für dieses Spiel interessieren sollten

First-Person Shooter können bei ihrer Jagd nach mehr Realismus, mehr Waffen, mehr und Schauplätzen mitunter dafür kritisiert werden, den Krieg zu verherrlichen. Alles an Homefront scheint das Gegenteil zu versprechen. Die Vereinigten Staaten sind hier der Underdog. Man kämpft in Internierungslagern, Hooter-Lokalen, Vorstädten und auf den weiten Ebenen des Mittelwestens. Man kämpft nicht, um einem anderen Land zu helfen, sondern um das eigene zu verteidigen (sofern man US-Amerikaner ist). Dies könnte ein emotionaler, bedeutungsvoller Shooter sein.

Was mir gefiel

Die Hintergrundgeschichte: Das Erste, was man in Homefront sieht, ist Realität. In einer Pressekonferenz spricht Hillary Clinton über die Versenkung eines südkoreanischen U-Bootes durch die nordkoreanische Marine. Dieses reale Ereignis geht über in eine schonungslose Mischung aus Realität und Fiktion, die ein sehr beunruhigendes Bild der nahen Zukunft zeichnet. Es gibt hier keine Bedrohung durch Aliens, keine Supersoldaten, nur eine nicht allzu unwahrscheinliche Zukunft, eine, die durch den Zusammenbruch der US-amerikanischen Wirtschaft, die Eroberung Japans, eine nordamerikanische Seuche und den Aufstieg eines wiedervereinten Korea bestimmt wird. Homefronts fiktionale Bedrohung ist eine Ansammlung von dingen, die wir heute sehen und fürchten, nur viel, viel schlimmer. Diese kreierte beinahe realistische Zukunft ist Grundlage für eine zuzeiten emotional auslaugende, beunruhigende Spielerfahrung.

Ergreifender Beginn: Die gemischt real-fiktive Wochenschau zu Beginn des Spiels schafft die richtige Stimmung, ehe Sie in die Schuhe eines früheren Hubschrauberpiloten der Marine schlüpfen, und zwar zwei Jahre nachdem das vereinte Korea mehr als die Hälfte der USA besetzt hat. Sie werden durch das Pochen an die Tür ihres Zimmers geweckt. Ein Radio sagt Ihnen, dass Sie sich in Montrose, Colorado befinden. Sie wurden in die koreanische Armee eingezogen und machen eine erzwungene Busfahrt durch die kleine Stadt, die rasch zu einem Tableau der Schrecken dieses neuen Krieges wird. Das alles soll Sie auf rein emotionaler Ebene ansprechen. Sie können auf der Fahrt durch die Stadt nur zusehen, wie Männer zu Erschießungen auf offener Straße zusammengetrieben und wie Paare getrennt werden, wie eine Mutter ihr kleines Kind anfleht, nicht hinzusehen und nicht daran zu denken, bis der Schuss fällt und das Weinen beginnt. Wenn Sie dann endlich die Kontrolle übernehmen und eine Waffe in Händen halten, haben Sie mehr als genug gute Gründe, das Spiel durchzuspielen.

Emotionale Aufhänger: Homefronts aufrüttelndes Gameplay ist nicht auf diese surrealen Anfangsmomente und die emotionalen ersten Szenen beschränkt. Während des relativ kurzen First-Person Shooters gibt es immer wieder Momente, die den Spieler erzürnen, in das Spiel hineinziehen oder abstoßen sollen. Sie werden in Flammen stehende Soldaten auf sich zuwanken sehen. Sie werden sich unter den Toten in einem Massengrab verbergen. Sie werden angesichts des Galgenhumors ihrer Kampfgefährten das Gesicht verziehen. Mitunter ist das Ganze allzu plump, aber es ist dennoch effektiv.

Bot-Panzer: Man kann ihn leider nicht oft einsetzen, doch mir machte es viel Spaß, den automatisierten Panzer namens Goliath zu steuern. Das gedrungene, gepanzerte sechsrädrige Gefährt verfügt über ein Maschinengewehr mit Kaliber .50 und vier Granatwerfer. Allerdings ändert sich die Perspektive nicht, wenn man die Kontrolle über das Fahrzeug übernimmt. Man muss es aus dem Blickwinkel steuern, denn man gerade hat. Eine angenehme Abwechslung zu dem mitunter so gewöhnlichen Bodenkampf.

Die Missionen, die Schauplätze, das Gameplay: Dies ist nicht Call of Duty oder Medal of Honor oder Battlefield. Sie spielen einen Soldaten wider Willen, der an der Seite von Milizionären, Überlebenskünstlern und Vorstadtbewohnern mit Schusswaffen kämpft. Ihr Schlachtfeld sind das örtliche Fast-Food-Lokal, die Wohnviertel und ein Geschäft. Ihre Aufgabe besteht zumeist darin, zu überleben und möglichst viele verängstigte Bürger von Colorado so gut als möglich zu beschützen. Das ändert nichts an dem für First-Person Shooter typischen Gameplay, erfordert aber eine andere Taktik und verändert die Perspektive.

Nette Multiplayer-Einfälle: Der Mehrspielerteil von Homefront ist bei weitem nicht so abwechslungsreich und emotional involvierend wie der Story-Modus, doch er wartet mit einigen netten Einfällen auf. Für das Töten von Feinden und das Erfüllen von Zielvorgaben erhält man Battle Points (Kampfpunkte), die dafür verwendet werden können, um während des Kampfgeschehens vorherbestimmte Gegenstände zu erhalten, etwa eine Splitterschutzweste, eine Drohne oder einen Raketenwerfer. Man kann mit diesen Punkten auch Fahrzeuge erwerben. Es sit ein bisschen wie eine Mischung aus Call of Duty und Battlefield mit dem Waffenkaufsystem von Counter-Strike.

Was mir nicht gefiel

Keine Neuerfindung: Ich liebe First-Person Shooter, weshalb mir dieses Spiel ziemlichen Spaß machte. Aber es gibt nicht wenige Spieler, die von Trigger-Punkten, Gameplay, das einen schmalen Pfad entlangjagt, und der ständigen Mühsal, sich unter ständigem Beschuss auf ein Zielobjekt hinarbeiten zu müssen, genug haben. Homefront verändert zwar den Blick auf den Krieg, aber an der Mechanik des für First-Person Shooter typischen Gameplays wird überhaupt nichts geändert. Falls Sie kein Fan von Einzelspielertiteln sind, die Sie zwingen, vorherbestimmte Wege einzuschlagen, dann ist dieses Spiel für Sie nicht geeignet. Falls Sie Shooter mögen, ist es das Spielen wert.

Kurz: First-Person Shooter versuchen weiter, die richtige Länge für ihre Einzelspielerkampagnen zu finden. Eine Länge von sieben bis neun Stunden ist meiner Meinung nach ganz in Ordnung, sofern es einen soliden Multiplayer mit mehreren Modi und Karten gibt. Homefront ist nicht einmal sechs Stunden lang, was angesichts des interessanten Themas doch etwas zu kurz ist. Das Ganze wird noch durch das abrupte ende verschärft.

Plattes, abruptes Ende: Oh, so viel Potenzial, so viele Möglichkeiten, so vergeudet. Es ist nicht nur, dass das ende von Homefront mehr oder weniger gegen eine Wand läuft. Es gäbe noch so viel zu tun im Hinblick auf die Befreiung der USA von den Besatzern. Das wirklich Traurige ist jedoch, dass das Spiel nie recht die emotionale Balance findet. All die Schrecken und die tolle Prämisse führen nie zu einem richtigen Höhepunkt, egal ob gut oder schlecht. Es hat fast den Anschein, als hätten die Entwickler die Story in der Mitte geteilt, um rasch eine Fortsetzung liefern zu können. Schlechte Entscheidung.

Warnung: Dieses Video beinhaltet Spoiler!

Fazit

Homefront hat zuviel Potenzial, eine zu reichhaltige Hintergrundgeschichte und spricht die Emotionen der Spieler zu sehr an, um an diesen Vorgaben nicht zu scheitern. Kein Spiel hätte diesen durch monatelange Werbemaßnahmen geschürten Erwartungen gerecht werden können. Die überwältigenden ersten Minuten von Homefront stimmen den Spieler auf einen emotionalen Shooter ein, doch diese Erwartung wird in der Folge nur phasenweise erfüllt. Deshalb ist es noch lange kein schlechtes Spiel. Den Spieß umzudrehen und die Amerikaner zu den Underdogs zu machen, ist eine gute Idee und bringt vielleicht den einen oder anderen Spieler dazu, einwenig darüber nachzudenken, wie sich die Feinde fühlen mögen. Die Spielmechanik und der Multiplayerteil funktionieren und sind unterhaltsam. Doch irgendwann im Laufe der Reise des Freiheitskämpfers vom besetzten Colorado hin zum großen Endkampf, kommt Homefront vom Weg ab und vergisst seine Antikriegs-Botschaft.

Homefront wurde von Kaos Studios entwickelt und von THQ am 15. März 2011 für Pc, PlayStation 3 und Xbox 360 veröffentlicht. Spielte die gesamt Einzelspielerkampagne auf dem PC und das erste Kapitel auf der PS3. Spielte zahlreiche Mehrspielerrunden auf PC und PS3.

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