Es ist wirklich schwierig zu entscheiden, ob man ein Spiel kaufen soll oder nicht. Das bereitet vielen Kopfzerbrechen und ist oft ermüdend und ärgerlich. Noch nie hatten wir Zugang zu so vielen Informationen über Spiele wie jetzt, aber es kann verdammt schwierig sein, die richtigen Informationen zu finden. Kritiker haben ihre persönlichen Vorlieben und Voreingenommenheiten, Analysen der Performance verraten nur, ob ein Spiel gut oder schlecht läuft, und Verkaufszahlen zeigen nur, wie beliebt ein Spiel ist.
Deshalb bemühen sich Plattformen wie Steam, den Kunden/Spielern im Store selbst so viele dieser Informationen wie möglich zu bieten. Steam-Kuratoren, Nutzerrezensionen und die Steam Community sind nützliche Werkzeuge, um die Konsumenten zu informieren. Im vergangenen Jahr fügte der Online-Store Green Man Gaming mehrere neue Metriken hinzu, um seine Kunden besser informieren zu können. Eine dieser Metriken, und zwar der durchschnittliche Preis pro Stunde (Average Cost Per Hour), ein Wert, der prominent auf der Seite eines jeden Spiels aufscheint, erregete rasch den Unmut von Publishers und Entwicklern, die argumentierten, dass diese Information dem Wert der Spiele nicht gerecht würde und diesem sogar schade. In der vegangenen Woche flammte diese Diskussion erneut auf, weil Green Man Gaming CEO Paul Sulyok das Feature verteidigte, indem er sagte, dass dieser Wert "allows the community to make informed choices." Aber wenn man genauer betrachtet, welche Information dieser Wert tatsächlich bietet, wird es offensichtlich, wie wenig informativ er ist und welch eingeengte Betrachtungsweise er fördert.
Zeit und Geld
Im Unterschied zu Websites wie Howlongtobeat.com, die darauf aufbauen, dass Nutzer manuell Daten einreichen, wie lang sie für verschiedene Arten von Playthroughs benötigten, behauptet Suylok, dass Green Man Gaming diesen Wert erstellt, indem man den Preis des Spiels zum Zeitpunkt, zu dem jemand die Seite des Spiels aufruft, nimmt und ihn durch die durchschnittliche Zeit dividiert, die die eigene Community das betreffende Spiel gespielt hat. Jeder Nutzer kann seinen Steam Account mit seinem GMG Account verknüpfen und so dem Store Zugriff auf seine „Stunden gespielt“ Daten verschaffen. Green Man Gaming kann dann den Durchschnittswert all dieser von Nutzern zur Verfügung gestellten Spielzeiten erreichen, den Preis des Spiels durch dieses Resultat dividieren und den „Preis pro Stunde“ (cost per hour) eines Spiels anzeigen.
Als Maß ist Average Cost Per Hour (durchschnittlicher Preis pro Stunde) abträglich, da es die Idee aufrechterhält, dass Spiele bloß Produkte sind, die wir konsumieren, nicht Erlebnisse, die wir haben. Es wird die dadurch die Idee bekräftigt, dass der Wert eines Spiels ausschließlich oder überwiegend daher rührt, wie viele Stunden es dauert, und nicht daher, wie bedeutungsvoll diese Stunden sind. Die potenziellen Käufer werden eingeladen, Spiele unfair danach zu beurteilen, wie kosteneffektiv sie sind. Wir spielen ohnehin bereits in einer Welt, in der Gleichzeitige-Nutzer-Daten (concurrent user data) regelmäßig und fälschlich als das wahre Maß der Beliebtheit eines Spiels hingestellt werden. Es wäre sehr schlecht, würde dieser mangelhafte Wert auf dieselbe Weise als objektive Beurteilung der Qualität verwendet werden.
Der „Average Cost Per Hour“ Wert ist die erste Statistik, die Nutzer sehen, wenn sie ein Spiel aufrufen.
Dies ist nicht nur eine Sichtweise, sondern eine weitverbreitete Rhetorik, die sich auf die Gestaltung moderner Spiele auswirkt. Sie ist mit ein Grund dafür, dass reine Einzelspieler-Shooter mit linearen Kampagnen wie Wolfenstein immer seltener werden, während Ubisoft dazu übergegangen ist, jedes seiner Spiele mit so vielen sinnlosen Nebenaktivitäten wie möglich vollzustopfen. Dieser „durchschnittliche Preis pro Stunde“ ist hauptverantwortlich dafür, dass nahezu endlose Fortschrittssysteme, die einst nur in MMOs zu finden waren, nun als eine Art Gerüst verwendet werden, um Spielen, die sonst viel kürzer wären, mehr Umfang zu verleihen. In Wahrheit sollten wir eher die Methoden argwöhnisch betrachten, mit denen Spiele ihre Länge aufpolstern, anstatt uns über die Spiele aufzuregen, die uns vielleicht etwas zu kurz erscheinen.
Länge/Spieldauer und Preis sollten unbedingt diskutiert werden, wenn man ein Spiel bewertet, aber sie benötigen Kontext, um diese Diskussionen bedeutungsvoll zu machen. So mag zum Beispiel Dragon Age: Inquisitions „cost per hour“ auf viel Spiel fürs Geld hindeuten, also das Spiel „wertvoll“ erscheinen lassen. Aber wenn man bedenkt, dass es zahlreiche Abschnitte gibt, die künstlich in die Länge gezogen wurden und damit eher langweilig sind, und dann noch die vielen fast schmerzhaft langweiligen MMO-artigen Aufgaben berücksichtigt, sieht das Spiel gleich nicht mehr so gut aus.
Eines der größten Probleme mit dieser Average Cost Per Hour Metric ist, dass sie einfach irreführend ist. Indem sie ohne jeden sinnvollen Kontext prominent angezeigt wird, legt Green Man Gaming nahe, dass es sich um einen sehr zutreffenden und bedeutenden Wert handelt, was nicht der Fall ist. Es gibt keine genauen Informationen dazu, wie dieser Wert berechnet wird, wie genau er ist oder wie groß die Fehlerspanne sein könnte. Es gibt keine Transparenz und der Wert wird unaufrichtig als Wahrheit präsentiert, obwohl er weit davon entfernt ist.
Green Man Gamings Daten unterscheiden nicht zwischen Eigentümern, die das Spiel mehrmals durchgespielt haben, und jenen, die das Spiel nur gekauft, aber noch nicht gespielt haben. Sie unterscheiden nicht zwischen der Zeit, die ich damit zubrachte, Mods in Skyrim zum Laufen zu bringen, und der Zeit, die ich das verdammte Ding wirklich spielte. Zum Teufel, ich kann nicht einmal all die Stunden erkennen, die ein Spiel einfach pausiert war oder im Hintergrund lief, während ich etwas anderes machte. Außerdem vermindert dieser Wert die Wirkung, die kurze Spiele haben können, denn es wird der Eindruck erweckt, ein zwei Stunden langes Spiel sollte irgendwie nur $2 kosten, um mit dem Preis-zu-Spieldauer-Verhältnis eines Spiels wie Skyrim konkurrieren zu können.
Howlongtobeat.com vermeidet diesen Fehler, indem seine Daten in einen Kontext gesetzt werden, da die Spieldauer in verschiedene Spielstile wie "Completionist" (alles erledigt) und "Main Story" (Hauptkampagne9 unterteilt wird. Wenn ich auf Howlongtobeat.com nachsehe, kann ich rasch herausfinden, wie lange ich ein Spiel spielen werde/muss, wenn ich einfach nur durch die Hauptstory flitze oder aber mir die Zeit nehme, an jeder Blume zu riechen, an der ich unterwegs vorbeikomme. Es ist wie bei Netflix auf Pause zu drücken, um festzustellen, wie viel von einer Episode man bereits gesehen hat, oder nachzusehen, wie viele Seiten man in einem Buch noch zu lesen hat. Wie man diese Stunden zubringt, ist von Bedeutung, aber Green Man Gaming berechnet nur den Durchschnitt der Spielzeiten all seiner Nutzer ohne den dazugehörigen Kontext, der diesen Wert erst interessant und wertvoll macht.
Howlongtobeat.com bietet einen viel detaillierteren Einblick in die Länge eines Spiels.
Es ist ein Problem, dass ärgerlicherweise auf den Bereich der Videospiele beschränkt ist (und, um ehrlich zu sein, auch noch auf Sex). Es wird der Eindruck erweckt, Dauer-pro-Euro wäre von großer Bedeutung, obwohl es viele andere, weniger greifbare und messbare Aspekte gibt, die zu einem befriedigenden Spielerlebnis beitragen. Der Wert eines Buches bemisst sich nicht danach, wie viele Wörter pro Cent des Kaufpreises es enthält, und man dividiert auch nicht einfach den Preis der Eintrittskarte durch die Länge des Films, um zu entscheiden, ob dieser gut und wertvoll war. Aber warum verhält es sich mit Spielen aus irgendeinem Grund anders?
Diese Metrik verleitet nur zu Äpfel-und-Birnen-Vergleichen zwischen völlig verschiedenen Spielen. Der Wert, den ich erhielt, indem ich in Bioshock ($1.64/Stunde) durch Rapture schlich, ist nicht vergleichbar mit den Stunden, die ich damit zubrachte, mich in Pillars of Eternity ($2.02/Stunde) in Dungeons zu stürzen — jedes dieser Spielerlebnisse ist grundlegend anders und stellte für mich eine andere Art von Wert dar. Und wie sollte ich die Stunden, die ich damit verbrachte, in Hearthstone mit Karten zu schmeißen, gegen die Zeit abwägen, die ich benötigte, um Life is Strange durchzuspielen? Das sind Erlebnisse, die überhaupt nicht gemein haben.
Es ist nur natürlich, dass wir vergleichen wollen, wie es Leute oft mit den Punktebewertungen am Ende von Rezensionen machen, aber es ist besser für das ganze Medium, wenn wir das einzigartige Erlebnis anerkennen, das jedes Spiel bietet (oder viele bieten – bei lieblos gemachten 08/15-Spielen sind Preis und Spieldauer sehr wichtige Faktoren, aber um diese Spiele sollte man ohnehin einen großen Bogen machen). Deshalb ist Green Man Gamings Kosten-pro-Stunde-Metrik totaler Bullshit, denn indem man den Kunden mehr Informationen bieten möchte, behandelt man Spiele so, als wären Sie Autos mit unterschiedlichem Treibstoffverbrauch und Schadstoffausstoß.
Es ist interessant, dass Suylok diese Entscheidung verteidigt, indem er sagt, dass Average Cost Per Hour den Wert eines Spiels nicht definiert, doch der Umstand, dass dies der erste Wert ist, den ein Konsument sieht, wenn er die Seite eines Spiels aufruft, sendet eine völlig andere Botschaft aus. Aus irgendeinem Grund ist der „aggregated user score“ (Gesamtbewertung durch die Nutzer) der letzte Wert in der Spalte. Wie sollte da nicht der Eindruck entstehen, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis eines Spiels eine wertvollere Metrik wäre als die wirklichen Meinungen der Spieler?
In seinem Interview mit PC Games Insider sagte Suylok, dass die Absicht darin besteht, den Leuten zu helfen, das Preis-Leistungs-Verhältnis von Spielen mit demjenigen anderer Aktivitäten zu vergleichen. Aber wann verzichteten Sie zum letzten Mal darauf, mit Freunden auszugehen, weil es kosteneffektiver war, allein ins Kino zu gehen? Den Wert einer Sache danach zu bemessen, wie viel sie uns kostet und wie lange sie uns beschäftigt (da müssten wir immer ein Buch kaufen und lesen, statt ins Kino zu gehen), ist ein riesiger Schritt in die falsche Richtung, wenn es darum geht, ihren Wert zu verstehen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Angst vor Enttäuschung zu einer Denkweise verleitet, die diese Erlebnisse auf simples „gut“ oder „schlecht“ beziehungsweise „das Geld wert oder „das Geld nicht wert“ reduziert.
Natürlich ist Ihnen unbenommen, den Wert eines Spiels zu beurteilen, wie immer Sie wollen – auch wenn das bedeutet, einem Spiel gegenüber einem anderen den Vorzug zu geben, nur weil es länger ist. Aber dies ist nicht bloß die Ansicht einer Person. Green Man Gaming beitet Kunden nichts Wertvolles, indem man die durchschnittlichen Kosten pro Stunde der Spiele an prominenter Stelle anführt. Es wird damit nur eine ziemlich schädliche Denkweise festgeschrieben und als Feature verpackt, weil man sich von starker Konkurrenz wie Steam abheben möchte. Es ist ein nutzloser, ungenauer Wert, der das schädliches Stereotyp aufrechterhält, größere/längere Spiele wären automatisch besser.
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