Blood Orange: Negro Swan (Domino)
Der in Großbritannien geborene Musiker Devonté (Dev) Hynes ist seit gut einem Jahrzehnt eine fixe Größe in der Musikindustrie und seit seiner Übersiedlung nach New York City im Jahr 2007 solo aktiv – zuerst machte er als Lightspeed Champion trübseligen Indie-Pop, seit rund sieben Jahren erfreut er uns als Blood Orange mit New Wave, R&B, Funk und eigenwilligem Pop -, wenn er nicht gerade für Künstler wie Mac Miller, A$AP Rocky, Carly Rae Jepsen, Kylie Minogue, Solange Knowles und Sky Ferreira schreibt und als Produzent im Einsatz ist. Sein letztes Album als Blood Orange war das 2016 erschienene, exzellente Freetown Sound, dessen 17 Tracks eine Mischung von Persönlichem und Politischem sind – er thematisiert darauf die Erfahrungen seiner Eltern als Immigranten - und auf dem unter anderem Carly Rae Jepsen, Debbie Harry und Nelly Furtado zu hören sind. Negro Swan ist sein vierter Solo-Longplayer als Blood Orange und sein sechster insgesamt, und er kehrt darauf seinen Blick noch mehr nach innen, denn er spricht seine Mühen und Probleme als junger schwarzer Mann im Vereinigten Königreich an, wobei er aber auch die universellen Verunsicherungen der Marginalisierten zum Ausdruck bringt.
Dieses ausufernde Werk ist lose geknüpft wie ein Mixtape. Immer wieder treten Gastsänger in den Vordergrund, gelegentlich werden Schnipsel gefundener Klänge oder das unheilvolle Tönen einer Polizeisirene eingefügt. Seine wechselhafte Natur ist zugleich Segen und Fluch.
Wie bei anderen in jüngster Zeit erschienenen Alben, die begierig darauf sind, die schwarze Erfahrung ins Rampenlicht zu rücken (Hynes sagt, dass Negro Swan von “black depression … and the ongoing anxieties of queer/people of colour” handelt), führt auch hier ein Erzähler durch das Werk, eigentlich ist es eine Erzählerin, die Pose Produzentin und Transgender-Aktivistin Janet Mock. Doch im Unterschied zu zum Beispiel Lemonade oder A Seat at the Table wiederholen Mocks Einlagen zwischen den Tracks oft nur Themen, die in den Songs selbst viel besser vermittelt werden, was bei „Charcoal Baby“, dem absoluten Highlight des Albums besonders deutlich wird, denn hoer lässt eine einzige Zeile (“No one wants to be the odd one out”) Mocks vorahnendes Interludium „Family“ völlig unnötig erscheinen.
Hynes ist ein ständig großzügiger Bandleader und hat keine Probleme damit, von anderen in den Schatten gestellt zu werden. Sein dünner Gesang dient durchgehend als Grundfarbe, während die kräftigeren Töne von Ian Isiah (auf dem sparsamen Gospeltrack „Holy Will“) und Georgia Anne Muldrow beigesteuert werden, die die gesprochene Poesie von „Runnin'“ mit ihrem rauen Soul aufwertet. Auf „Hope“ verwebt er Hip-Hop und Jazz, während Tei Shis leichter Gesang auf einem funkelnden Beat, der sogar den so wenig entspannten Rapper Puff Daddy gelassen klingen lässt, wie auf einem fliegenden Teppich reitet. Auf „Chewing Gum“ macht Hynes das, was er am besten kann: er braut einen hauchdünnen Sommerdunst zusammen, der sich um einen trägen, aus einer Zeile bestehenden Refrain dreht. Der Track ist reich an Details – erwähnt sei als Beispiel die wunderbare, Gitarrenfigur im Folkstil, die die A$AP Rocky Strophe untermalt -, aber gegen Ende, wenn ein stark mit Auto-Tune bearbeiteter Project Pat die Klarheit trübt, fällt er auseinander.
Letztlich ist dies das Hauptproblem mit diesem Album: gerade wenn man sich in Negro Swans Groove fallen lässt, ändert es seinen Kurs, was zur Folge hat, dass immer eine gewisse emotionale Distanz zwischen den Songs und dem Hörer besteht.
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