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Trash Kit: Horizon (Albumkritik)


Trash Kit band


Trash Kit: Horizon (Upset the Rhythm)



Morgens aufzustehen wäre viel leichter, erklänge Trash Kits jubilierende Sängerin Rachel Aggs statt des schnöden Weckers. “Get out of bed!” fordert sie ungefähr nach der Hälfte des dritten Albums des flinken Post-Punk-Trios, inmitten eines Spaghetti-Durcheinanders von Gitarren. Sie setzt fort “Get 10 out of 10!”, ehe sie von einem Harfen-Glissando unterbrochen wird. Dies ist nur eine von vielen unerwarteten musikalischen Ausschmückungen – und entwaffnend berührenden Momenten – auf diesem Partyalbum,, das zugleich auch ein Überlebenshandbuch für die heutige Welt ist.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es für Aggs, die Schlagzeugerin Rachel Horwood und den Bassisten Gill Partington (er ersetzte das frühere Bandmitglied Ros Murray von Electrelane) nichts Schöneres gibt, als in Trash Kit zu sein. Die Bandmitglieder bemalten sich für das Video zur 2010 veröffentlichten Hymne „Cadets“ das Gesicht mit Neonfarben, um dann vor der Kamera auf einer Party wild zu tanzen. Diesen Geist haben sie beibehalten, auch wenn sie von den kurzen Songs, die mitunter wie Sammelalben wirkten, mittlerweile zunehmend Abstand nehmen und längere, sorgfältiger ausgearbeitete und mitunter sehr interessant ausgeschmückte Stücke bieten.

Dieses Gefühl von Überschwänglichkeit durchdringt Horizons Kernstück, „Disco“, einer galoppierenden, siebenminütigen Instrumentalnummer, in der zyklische Gitarrenfiguren sich verändern und verdrehen, um dann von einem Saxophon im Stil von James Chance abgelöst zu werden. Doch das Album lässt den Hörer auch wissen, dass Trash Kits fröhliche Feiern schwer erkämpft wurden. Die „grungey“ Nummer „See Through“ wird mit rechtschaffenen Rufen – “Transcend!”, “Break through!” – erst so richtig lebend, die eine Reaktion auf den Druck und die Schwierigkeiten, mit denen an den Rand gedrängte Menschen fertig werden müssen, darstellen und ihnen Mut machen sollen, nicht zuletzt dadurch, dass Vorurteilen eine klare Absage erteilt wird.

Aggs, eine lesbische schwarze Frau, hat wiederholt betont, dass ihre Musik immer auch eine politische Intention hat. Dies wird auch bei ihren anderen Bands, Shopping und Sacred Paws (ihre letzte Veröffentlichung wurde 2017 zum schottischen Album des Jahres gekürt), deutlich. Horizon nimmt auf „Coasting“ geschickt Bezug auf die schwarze feministische Sci-Fi-Autorin Octavia Butler, während das mit einem Chor ausgepolsterte „Every Second“ Symbolpolitik in der Improv-Musikszene Großbritanniens thematisiert. “We still have so far left to go“, singt Agg mit sachlichem Unterton in der Stimme.

Horizon ist ein passender Titel für ein Album, auf dem Trash Kits musikalische Neugier dazu führt, dass sie zunehmend über Genregrenzen hinausblicken. Einer der musikalischen Gäste ist Dan Leavers (von der für den Mercury Preis nominierten Band The Comet Is Coming) am Saxophon, während das Mbira Thumb Piano aus Zimbabwe polyrhythmische Komplexität zu Aggs’ Gitarrenlinien hinzufügt. Über das gesamte Album hinweg finden Trash Kit stets neue Mittel, die dem Hörer helfen, den Bullshit abzuschütteln und unbeschwert zu tanzen.



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